Wettertrend Winter 2021/2022: Deutschland wintert ein? Polarwirbelsplit oder Zonalisierung?
Der November kommt verbreitet mild, sonnig und trocken daher. Nix mit Herbststurm oder Graupelschauern. Wo bleibt das klassische Herbstwetter, das zu einem gemütlichen Leseabend auf dem Sofa einlädt?
Hochdruckblock über Deutschland. So sieht es aus. Aktuell liegt ein Hochdrucksystem über Deutschland und sorgt nach zäher Nebelauflösung südlich der Linie von Köln und Berlin in den kommenden Tagen für viel Sonnenschein.
Ein Sturmtief löst sich auf
Wir hatten gestern darüber berichtet, dass sich zum Wochenende ein Sturmtief nach Deutschland ausdehnt und versucht das Wetter auf radikale Art und Weise zu verändern, doch entsprach die Gesamtstruktur nicht dem, was die Vorhersage-Modelle berechneten und der Hinweis, dass man diese Entwicklung abwarten sollte, war absolut berechtigt. Mittlerweile haben - beide - Vorhersage-Modelle das Sturmtief nicht mehr im Programm. Anders formuliert nimmt am Wochenende die Bewölkung zu und ein paar Regenschauer sind zu erwarten, doch sonst ändert sich nicht viel. Der Vollherbst lässt weiterhin auf sich warten. Mehr dazu: Wetter November 2021.
Wettervorhersage nach dem europäischen Wettermodell: Ein neuer - interessanter - Ansatz
Mit schwankenden Modellsimulationen ist auch in den kommenden Tagen zu rechnen. Das liegt darin begründet, dass sich innerhalb des Polarwirbels ein Hochdrucksystem ausdehnt und dessen Achsverlauf von entscheidender Bedeutung für die weitere Wetterentwicklung ist. Geringe Veränderungen führen zu einem komplett anderen Wetter, das sowohl einen frühwinterlichen, als auch ungewöhnlich warmen Charakter annehmen kann.
Anzeige
Das Hoch dominiert weiterhin das Wettergeschehen über Deutschland
Der Störimpuls vom Wochenende ist zu schwach, um dem Hoch ernsthaft etwas anhaben zu können. Mehr wie eine zunehmende Bewölkung und ein paar Schauer ist bei einem auflebenden Wind nach dem aktuellen Stand nicht zu erwarten.
Im Zeitraum vom 14. bis 16. November stabilisiert sich das Hoch und verlagert seinen Kern über Polen. Der Störimpuls bewegt sich derweil über die westliche Mittelmeerregion und kann dort für - nennenswerten - Regen sorgen. Über Deutschland, Österreich und der Schweiz scheint hingegen nach zäher Nebelauflösung die Sonne und die Temperaturen sind mit +8 bis +12 Grad für die Jahreszeit zu warm. Über den Regionen mit Dauernebel ist spätestens an der +5 Grad-Marke Schluss und in den Nächten kann im Schwerpunkt über dem südlichen Baden-Württemberg und Bayern mit Frost gerechnet werden.
Der strukturelle Wandel innerhalb des Polarwirbels
Im Zeitraum vom 15. bis 17. November passiert etwas Gravierendes. Das Hoch über Europa strebt nach Norden auf und nimmt von Skandinavien aus Kontakt zum Polarhoch auf. So entsteht eine Hochdruckzone, die von Deutschland bis zu den Aleuten - einmal quer durch den Polarwirbel - reicht. Deutschland bleibt somit bis zum 17. November im Einflussbereich des Hochdrucksystems.
Die Hochdruckachse innerhalb des Polarwirbels verschiebt sich vom 17. bis 18. November und nimmt eine Querverbindung zu einem Hoch über dem östlichen Kanada auf und beendet die Hochdruckzone nach Europa. Innerhalb des Polarwirbels werden kalte Luftmassen in Richtung Grönland und Island transferiert, was das Hochdrucksystem über den Azoren und über Europa in arge Bedrängnis bringt. Warum? Ganz einfach - durch den Kaltluftzustrom explodiert
auf dem Atlantik die Tiefdruckdynamik regelrecht.
Frühwinter oder Zonalisierung?
Und sollte sich die Wetterprognose der Europäer durchsetzen, so steht das Wetter zum Beginn der letzten Novemberdekade am Scheideweg - Hop oder Top
könnte man auch sagen. Der Polarwirbel gibt mit der Hochdruckzone definitiv kein gutes Bild ab, doch entscheidend ist, wie sich ein Tief zwischen Neufundland und England verhält. Verpasst es dem Azorenhoch einen Dämpfer, so kann man eine Zonalisierung (windige und nasse Westwetterlage) ins Gespräch bringen.
Strebt hingegen das Azorenhoch - über Island und Grönland - nach Norden auf und geht eine Hochdruckzone mit dem Polarhoch ein, so meridionalisiert das Strömungsmuster schlagartig und aus nördlichen Richtungen werden kalte Luftmassen arktischen Ursprungs nach Deutschland geführt und bringen den Winter ins Spiel.
Wetterprognose nach dem amerikanischen Wettermodell: Polarwirbelsplit mit Winterwetter
Die Wetterprognose der Amerikaner ist bis zum 17. November ähnlich strukturiert wie die Berechnungen der Europäer. Soll heißen, dass sich an der Hochdruckdominanz bis zum 17. November wenig verändert. Doch die Vorhersage der Amerikaner ist darüber hinaus radikaler und zeigt, was passieren kann, wenn sich das Hoch auf dem Atlantik nach Norden aufwölbt.
Brachialer Wetterwechsel
Ein Hoch verlagert im Zeitraum vom 16. bis 18. November sein Zentrum von Europa nach England und bereits zum 19. November keilt das Hoch auf dem Atlantik nach Norden auf und geht die oben angedeutete Verbindung mit dem Polarhoch ein.
Arctic Outbreak
Klingt verheißungsvoll für alle, die den Winter mögen und so ist es auch. Durch die Hochdruckposition meridionalisiert das Strömungsmuster schlagartig und aus nördlichen Richtungen werden kalte Luftmassen polaren Ursprungs nach Süden - in Richtung Deutschland - geführt.
Wintereinbruch über Deutschland
Das Hoch dehnt sich über Grönland bis zum 20. November weiter nach Norden aus und führt zusammen mit einem Tief über Skandinavien die kalten Luftmassen bis über die Mittelmeerregion. Über Deutschland hat das gravierende Folgen. Erreichen die Temperaturen am 18. November noch +5 bis +10 Grad, so sind am 19. November +2 bis +7 Grad und am 21. November -4 bis +2 Grad zu erwarten - wohlgemerkt handelt es sich um die Tageshöchstwerte.
Schneeschauer sind bis auf tiefere Lagen zu erwarten und mit der Ausbildung einer Schneedecke kann nach der Wetterprognose der Amerikaner bis auf die tieferen mittleren Lagen gerechnet werden (200 bis 500 Meter).
Der Trog bleibt - Deutschland wintert ab den mittleren Lagen ein
Der Trog erweist sich als stabile Entwicklung, was auch daran liegt, dass er bis über die Mittelmeerregion reicht und dort ein weiteres Tiefdrucksystem ausbilden kann. Das wirkt auf die Kaltluftmassen wie ein Ansaugmotor und so ist über Deutschland, Österreich und der Schweiz bis zum 25. November mit weiterem Schneefall bis auf tiefere Lagen herab zu rechnen. Die Temperaturen erreichen am Tage -4 bis +2 Grad und sinken in den Nächten auf -10 bis +0 Grad ab. Das ist für die Jahreszeit eine klar zu kalte Entwicklung.
Auf den Punkt gebracht: Deutschland wintert ein?
Ja, spannend und der Puls beschleunigt sich bei allen, die den Winter lieben. Und nochmals ja, die Vorgänge innerhalb des Polarwirbels haben sich in den letzten Tagen angekündigt und lassen eine turbulente Wetterentwicklung in der letzten Novemberdekade wahrscheinlicher werden. Doch was ist tatsächlich an den Simulationen dran - wintert Deutschland ein oder ist es nur eine Modellspinnerei
?
Wintereinbruch oder doch die Zonalisierung?
Die Kontrollläufe machen dazu eine klare Aussage. Der Hauptlauf der Amerikaner ist ab dem 18. November ein klar zu kalter Ausreißer. Möglich ja, wahrscheinlich nein. Freunde des Winterwetters
können sich zwar über die Wetterkarten freuen, doch sollten skeptisch bleiben, ob das auch in die Realität umgesetzt werden kann.
Die Kontrollläufe stützen eine bis zum 20. November um +1 bis +3 Grad zu warme Temperaturentwicklung. Kumuliert man diese Werte, so wird der November bis zum 20. November im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961 und 1990 um +0,7 bis +1,2 Grad zu warm ausfallen können.
Gleichwohl ist der Hauptlauf der Amerikaner nicht alleine und in den letzten 24 Stunden haben sich noch ein paar weitere Simulationen den kalten Entwicklungen angeschlossen. In der Meteorologie spricht man von da ist was im Busch
. Nüchtern analysiert pendeln sich die Temperaturen vom 20. bis 24. November mit Tageshöchstwerten von +3 bis +6 Grad exakt in den Bereich ein, der für die Jahreszeit normal ist. Schnee-, Schneeregen- oder Graupelschauer sind bis auf die mittleren Lagen möglich und über den höheren Lagen kann der Winter Einzug halten.
Die Niederschlagsprognose ist bis zum 18. November als schwach zu bewerten und steigt darüber hinaus in den leicht erhöhten Bereich an. Erfahrungsgemäß ist eine leicht unbeständige und nasskalte Nordwestwetterlage ein heimlicher Favorit für die Wetterentwicklung in der letzten Novemberdekade.
Tag | Temperaturspektrum | Temperaturmittelwert |
---|---|---|
15. November | +2 bis +12 Grad |
+9 bis +11 Grad |
19. November | +1 bis +15 Grad |
+6 bis +8 Grad |
24. November | -4 bis +11 Grad |
+3 bis +5 Grad |
Der nasskalte Wettertrend bestätigt sich heute und auch winterliche Varianten werden ins Spiel gebracht. An Spannung ist die Wetterentwicklung kaum zu überbieten. Was sich im Tagesverlauf verändert hat, klären wir in einer Aktualisierung dieser Wetterprognose heute Abend gegen 20:00 Uhr an dieser Stelle.
Update der Wetterprognose von 20:00 Uhr
Der Polarwirbel macht Sachen. So einfach könnte man es umschreiben, was sich in den letzten 24 Stunden so ergeben hat. Entscheidend ist und bleibt, welche Achse ein Hoch innerhalb des Polarwirbels ausbildet. Warum Entscheidend? Je nachdem sind der Entwicklung ernstzunehmende Ableitungen hinsichtlich eines Wintereinbruchs oder einer beginnenden Zonalisierung zu entnehmen.
Das Hoch im Polarwirbel
Beeindruckend waren die Simulationen vom Tage. Um sich aber ein Bild davon machen zu können, was da los ist, ist ein Blick auf die Druckanomalien notwendig.
Innerhalb der kommenden 5 Tage bildet sich zwischen den Aleuten/Sibirien und Kanada ein Hochdruckkeil aus und beginnt die Entwicklung des Polarwirbels massiv zu stören. Der für Deutschland verantwortliche Teil ist mit einer Tiefdruckrinne von Island über die Barentssee bis über die Karasee als intakt zu bewerten. Anders formuliert ist bis zum 14. November alles im Fluss und Deutschland liegt voll im Einflussbereich einer Hochdruckzone.
Bis zum 19. November ändert sich der Verlauf der Hochdruckzone und man erkennt ohne Probleme den aufstrebenden Hochdruckkeil von Mitteleuropa aus in Richtung der Hochdruckzone innerhalb des Polarwirbels und das Strömungsmuster wird ab diesem Moment beginnen, zu meridionalisieren. Möglich ist auch ein aufstrebendes Hoch zwischen den Azoren und Grönland.
Meridional - nicht zwangsläufig winterlich!
Einmal angenommen, das Hoch keilt über Europa nach Norden auf. In diesem Fall bliebe dem Tiefdrucksysteme über Island gar nichts anders übrig, als nach Süden auszutrogen. Da sich Tiefdruckgebiete gegen und Hochdrucksystem im Uhrzeigersinn drehen, würden Deutschland, Österreich und die Schweiz in eine milde bis warme Südanströmung gelangen. Tolle Wetterlage mit imposanter Grundströmung, aber aus Sicht der Winterfreunde an falscher Position.
Vertauscht man die Systeme, so kann das Hoch auf dem Atlantik nach Norden. In Richtung Grönland - aufkeilen und das Tief über Mitteleuropa austrogen. Was folgt ist eine meridionale Nord-Südströmung, die ohne Weiteres kalte Luftmassen polaren Ursprungs nach Süden führen kann. Soweit die Grundlagen und die möglichen Varianten. Die Wetterprognose des amerikanischen Wettermodells hat heute Nachmittag noch einmal eine kalte Trogwetterlage bestätigt, doch zeigt sich auch, wie knapp das Ganze ausgehen kann. Anders formuliert ist das schön anzusehen, die Eintreffwahrscheinlichkeit ist jedoch mit vielen Fragezeichen versehen.
Was wahrscheinlich ist
Wir hatten heute Nachmittag schon das Resümee gezogen, dass die Wetterprognose der Amerikaner zu forsch ist und sich damit kein Blumentopf gewinnen lässt, zumal die Kontrollläufe eine winterliche Wetterentwicklung nicht wirklich stützten. Heute Abend bestätigt sich diese Vermutung, wobei noch lange nichts in trockenen Tüchern ist. Anders formuliert sind die kalten Berechnungen des amerikanischen Wettermodells absolut plausibel, doch wenig realistisch. Das Wetter über Europa neigt nicht zu solchen Extremen. Schaut man sich den Mittelwert aller Kontrollläufe an, so entwickelt sich der November in seiner zweiten Dekade deutlich zu warm und beginnt sich in seiner letzten Dekade zu normalisieren.
Normal bedeutet im November eine nasskalte Wetterentwicklung, bei der sich der eine oder andere Schneeschauer bis auf die tieferen Lagen verirren kann. Ab den höheren mittleren Lagen von 700 bis 900 Meter kann man sich allmählich auf den Winter vorbereiten und damit sind die Vorzeichen gänzlich andere, als 2018, 2019 und 2020.
Die Wahrscheinlichkeiten auf Schnee
Betrachtet man die Wahrscheinlichkeiten für Schneefall, so liegen diese am 22. November über tieferen Lagen bei 0 bis 20 Prozent und über den mittleren Lagen bei 15 bis 40 und örtlich bis 50 Prozent. Über den höheren Lagen und dem Alpenvorland liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 60 und 90 Prozent. Es bleibt also beim klassischen Abbild der nasskalten Wetterlage. Bestätigt wird das, wenn man sich die Wahrscheinlichkeiten für Dauerfrost anschaut. Dauerfrost ist demnach nur über den höheren Lagen möglich, während das Temperaturspektrum in tieferen Lagen zwischen +4 bis +8 Grad pendeln kann.
Die Randfaktoren
Der Polarwirbel erweist sich in Stratosphärenhöhe als stabil. Da sind keine großartigen Störungen zu erkennen. Die Windgeschwindigkeiten sind mit +140 km/h für die Jahreszeit ungewöhnlich hoch und sinken bis Dezember mit +90 km/h in den Bereich ab, der typisch ist. Das kann als erstes Signal für einen sich stabilisierenden Polarwirbel gewertet werden. Abwarten.
Warum abwarten? Der AO-Index (vereinfacht die Zustandsbeschreibung des Polarwirbel) ist in den vergangenen 48 Stunden mehr in die negative Entwicklung korrigiert worden. Das bedeutet, dass der Wirbel in Stratosphärenhöhe eine stabile Struktur aufweist, diese aber einen Zeitraum von 7 bis 14 Tagen braucht, um sich in den unteren Luftschichten bemerkbar zu machen.
Der NAO-Index wird neutral bewertet und hat in den letzten 48 Stunden eine negative Tendenz erfahren. Das spricht in der letzten Novemberdekade für eine nasskalte Wetterentwicklung, bei der eine Trogwetterlage nach wie vor möglich und als Variante zu berücksichtigen bleibt.
Was die Vorhersage-Modelle heute Abend simulieren
Soweit das, was wahrscheinlich und zu erwarten ist. Halten sich die Vorhersage-Modelle daran? Nein, im Gegenteil! Die Amerikaner haben sich heute Abend - Erwartungsgemäß - von den extremen Varianten verabschiedet, wobei nicht auszuschließen ist, dass das noch einmal kippt. Die Achse innerhalb des Polarwirbels dehnt sich von Sibirien und Kanada aus und leitet so über dem östlichen Kanada den Kaltluftzustrom nach Neufundland ein. Über Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Zonalisierung zu diskutieren. Vom Winter - bzw. einer Einwinterung - ist diese Prognose meilenweit entfernt, gehört in den Kontrollläufen nun aber mit Abstand zu den wärmsten Varianten.
Die Europäer bleiben ihren Berechnungen treu und simulieren eine bis zum 23. November anhaltende Hochdruckzone, die sich nicht nach Norden aufwölben und Tendenzen eine Zonalisierung mit südwestlicher Ausprägung aufweist. Da ist noch nicht einmal Platz für eine nasskalte Nordwestströmung.