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Die Arktis erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt

| C. Bertram

Der Arctic Report Card 2024 der NOAA zeigt eindrücklich, wie der Klimawandel die Polarregion verändert und welche Folgen das für globale und regionale Wetterphänomene hat. Die Arktis erwärmt sich mehr als doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt, ein Effekt, der als Arctic Amplification bekannt ist. Diese Erwärmung beeinflusst Wetter und Klima weit über die Arktis hinaus.

Arktisches Meereis schwindet rapide © Uli Brüderlin
Arktisches Meereis schwindet rapide © Uli Brüderlin

Das arktische Meereis hat 2024 weiterhin historische Tiefststände erreicht. Die sommerliche Eisausdehnung war die sechstniedrigste seit Beginn der Satellitenmessungen vor 45 Jahren. Frühzeitiges Abschmelzen setzt dunkle Meeresoberflächen frei, die Sonnenstrahlung absorbieren und das Wasser weiter erwärmen. Diese Rückkopplung beschleunigt das Abschmelzen von Eis und trägt zu globalen Meeresspiegelanstiegen bei. Besonders betroffen ist der grönländische Eisschild, dessen Schmelzrate 2023 eine der höchsten in der jüngeren Geschichte war.

Schmelzende Eismassen und Wetterextreme

Die Veränderungen in der Arktis wirken sich auf atmosphärische Zirkulationsmuster aus. Dadurch können extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hitzewellen auch in gemäßigten Breiten, einschließlich Deutschlands, zunehmen. Die veränderten Druckverhältnisse beeinflussen den Jetstream und sorgen für längere Perioden von Hitze oder Kälte in Europa

Ökologische und wirtschaftliche Folgen

Die Veränderungen betreffen nicht nur das Klima, sondern auch die arktischen Ökosysteme. Tundra-Gebiete, die bisher als Kohlenstoffspeicher dienten, könnten durch Erwärmung zu Kohlenstoffquellen werden. Gleichzeitig steigt die Primärproduktivität in arktischen Meeren aufgrund von früherem Eisverlust und wärmerem Wasser. Diese Veränderungen sind jedoch regional unterschiedlich und beeinträchtigen traditionelle Lebensweisen, insbesondere indigener Gemeinschaften.

Die zunehmende Erwärmung hat auch wirtschaftliche Konsequenzen: Offene Seewege, wie die Nordostpassage, könnten die Schifffahrt erleichtern, aber auch neue geopolitische Spannungen hervorrufen. Gleichzeitig erhöht sich durch den Rückgang des Meereises die Gefahr von Umweltverschmutzung und Schäden an empfindlichen Ökosystemen

Ein globales Problem

Die Arktis ist ein Frühwarnsystem für die Auswirkungen des Klimawandels auf der ganzen Welt. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit und rascher Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen. Ohne signifikante Veränderungen in der globalen Klimapolitik könnten die beschriebenen Trends unaufhaltsam werden und tiefgreifende Konsequenzen für Mensch und Natur mit sich bringen.

Der Bericht zeigt, dass die Arktis nicht nur eine entfernte Region ist, sondern ein Schlüsselbereich für die Stabilität unseres globalen Klimasystems. Die Beobachtungen und Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit, die Erderwärmung einzudämmen und uns an unvermeidbare Veränderungen anzupassen.

Das rasche Tempo und die Komplexität des arktischen Wandels erfordern neue und verstärkte arktische und globale Reduzierung der Verschmutzung durch fossile Brennstoffe.

Vollständiger Arctic Report 2024

Zusammenfassung (freie Übersetzung)

In der Luft

  • Die jährlichen Oberflächentemperaturen der Arktis waren 2024 die zweithöchsten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1900.
  • Der Herbst 2023 und der Sommer 2024 waren besonders warm und belegten den zweiten bzw. dritten Platz in den Temperaturrekorden.
  • Anfang August 2024 führte eine Hitzewelle in Teilen Nordalaskas und Kanadas zu Allzeitrekorden bei den täglichen Höchsttemperaturen.
  • Die letzten neun Jahre waren die neun wärmsten, die jemals in der Arktis registriert wurden.
  • Der Sommer 2024 war der niederschlagsreichste, der je in der Arktis verzeichnet wurde.
  • Seit 1950 zeigt der Niederschlag in der Arktis einen steigenden Trend, wobei der Zuwachs im Winter am stärksten ist.

Im Ozean

  • Die Ausdehnung des arktischen Meereises im September 2024 war die sechstniedrigste seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen vor 45 Jahren.
  • Alle 18 niedrigsten September-Minimum-Ausdehnungen des Eises wurden in den letzten 18 Jahren gemessen.
  • Eisfreie Regionen des Arktischen Ozeans im August erwärmen sich seit 1982 mit einer Rate von 0,3 °C pro Jahrzehnt.
  • In vielen flachen Randmeeren des Arktischen Ozeans lagen die durchschnittlichen Meerestemperaturen im August 2 bis 4 °C über den Mittelwerten von 1991–2020, während die Temperaturen in der Tschuktschensee 1 bis 4 °C kühler waren.
  • Die langfristige Produktivität des Ozeans – insbesondere Planktonblüten – nimmt in allen arktischen Regionen zu, mit Ausnahme der Pazifischen Arktis. 2024 lagen die Werte jedoch vielerorts unterdurchschnittlich.
  • Populationen von Eisseehunden in der Pazifischen Arktis bleiben gesund, aber ihre Ernährung verschiebt sich von arktischem Dorsch hin zu Safrandorsch, bedingt durch wärmeres Wasser.

An Land

  • Aufgrund von Waldbränden hat sich die arktische Tundra von einem Kohlenstoffspeicher zu einer Quelle von Kohlendioxid entwickelt, mit durchschnittlichen Emissionen von 207 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr seit 2003.
  • Die Arktis bleibt eine beständige Methanquelle.
  • Die Temperaturen des Permafrostbodens in Alaska waren 2024 die zweithöchsten, die je gemessen wurden.
  • Höhere Temperaturen beeinträchtigen die Bewegung und das Überleben von Karibus durch direkte Sommerhitze und veränderte Winterbedingungen bei Schnee und Eis.
  • Wandernde Karibuherden in der arktischen Tundra haben in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten einen Rückgang von 65 % erfahren. Während kleinere Küstenherden sich teilweise erholen, setzen sich die Rückgänge großer Inlandherden fort.
  • Die Sommerhitze wird in den nächsten 25 bis 75 Jahren voraussichtlich größere Auswirkungen auf Karibuherden haben, was eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und lokalen Gemeinschaften erfordert.
  • Die Schneemenge im Winter 2023/24 war überdurchschnittlich, dennoch war die Schneesaison in Teilen Kanadas die kürzeste seit 26 Jahren. Der Schneeschmelz in der Arktis tritt im Mai und Juni 1–2 Wochen früher auf als historisch üblich.
  • Der Masseverlust des grönländischen Eisschilds war 2024 der niedrigste seit 2013.
  • Die Begrünung der Tundra, ein Indikator für die Ausbreitung von Sträuchern aufgrund höherer Temperaturen, war 2024 die zweithöchste im 25-jährigen Satellitenrekord.
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