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Konsequenzen für den Sommer: Dürre und Dauerregen - Ist das Wetter noch normal?

| M. Hoffmann

Ungewöhnlich trocken verläuft der Frühling in Deutschland und hat bisweilen über weiten Teilen eine außergewöhnliche Dürre zur Folge. Dabei ist das Schema und der Ablauf ganz ähnlich dem vom vergangenen Frühling, jedoch mit deutlich schwächeren Störimpulsen. Zudem dehnt sich das Hoch in den kommenden Tagen mit einer ungewöhnlichen Wucht weit nach Norden aus. Zeit, einmal das Geschehen genauer zu analysieren – und was die möglichen Konsequenzen für das Sommerwetter sein können.

Dürre und Hochwasser liegen eng beieinander
Dürre und Hochwasser liegen eng beieinander

Der Frühling ist bis dato im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961 bis 1990 um rund +2,8 Grad erheblich zu warm (91/20: +1,6 Grad). Das überrascht nicht und ist in Zeiten der Klimaerhitzung auch das Erwartbare. Fraglich war noch im Februar, ob sich eine Dürre durchsetzen kann. Die Prognosemodelle und Langfristmodelle haben lediglich eine ausgeprägte Trockenheit in Betracht gezogen. Eine Dürre war zwar möglich, jedoch wenig wahrscheinlich.

Erheblicher Niederschlagsmangel und außergewöhnliche Dürre

Und ja, es gibt einen Streifen zwischen Hessen und Thüringen, über dem das Niederschlagssoll mit 60 bis 80 Prozent Sollerfüllung noch auf Linie ist. Weiter nach Süden jedoch liegt die Sollerfüllung bei rund 30 Prozent und nach Norden sogar nur bei 20 Prozent. Das kann der Mai nicht mehr aufholen. Schaut man sich die Prognosen der vergangenen Tage an, so war der Tenor klar: Ausreichend Niederschlag wird bis Ende Mai nicht mehr berechnet. Zu nah ist das Hoch an Deutschland – und es besteht sogar die Möglichkeit, dass sich das Hoch komplett über Mitteleuropa verlagert und das Wetter mit einer Omegawetterlage bis in den Juni hinein dominieren kann.

Eine außergewöhnliche Dürre im Ober- und Gesamtboden
Wetterprognose der Vorhersage-Modelle: Eine außergewöhnliche Dürre im Ober- und Gesamtboden © www.meteociel.fr || wxcharts.com

Was stimmt mit dem Wetter nicht mehr?

Wer in den <70er, 80er oder 90er Jahren groß geworden ist, der kennt sicherlich noch die vorherrschende Grundströmung. Kalte Luft polaren Ursprungs strömt über dem östlichen Kanada nach Süden aus, trifft auf den warmen Atlantik, und es entstehen – meist bei Neufundland – Tiefdruckgebiete, welche nach Osten in Richtung Island (Islandtief) und Skandinavien ziehen, um sich dann über die Barentssee wieder in den Tiefdruckreigen einzugliedern. Man nennt das ein Zirkulationsmuster zonaler Prägung – oder auch eine Westwetterlage –, welche die Grundströmung über Mitteleuropa über Jahrhunderte hinweg dominiert hat. Diese Gesetzmäßigkeit wird seit 2012 und erst recht seit 2018 sehr auffällig außer Kraft gesetzt. Was aber ist der Grund dafür, dass die normale Westwetterlage keine Chancen mehr hat?

These 1: Arktisches Eisschild zieht sich weit nach Norden zurück

Wetter funktioniert nur mit Gegensätzen: Hoch/Tief, feucht/trocken, kalt/warm. Existieren diese Gegensätze nicht, nimmt die Dynamik zwangsläufig ab oder kommt für einen Moment zum Erliegen. Die Folge: schwachgradientige Wetterlagen. Und das ist exakt das, was sich seit einigen Jahren feststellen lässt. Entweder es regnet über einen Zeitraum ungewöhnlich heftig und ergiebig, oder aber es stellt sich über Wochen hinweg eine Hochdruckwetterlage ein – samt Hitze-, Trocken- und Dürrephasen. Und ja, die Anzahl der Hitzetage (≥ +30 Grad) oder die Anzahl der Wüstentage (≥ +35 Grad) nimmt in den letzten Jahren rapide zu.

Tiefdruckgebiete ziehen sich nach Norden zurück

Der Grund hierfür lässt sich mit dem sich zurückziehenden Eisschild der Arktis erklären. Denn dieses wird nicht nur rapide dünner, sondern verliert auch an Ausdehnung nach Süden – und die Ausdehnung nach Süden ist maßgeblich für die Temperaturgegensätze in Luft und Wasser.

Damit ist klar, dass sich die Temperaturgegensätze weiter nach Norden verschieben. Diesen Temperaturgegensätzen folgt das Starkwindband – der Jetstream – nach, und dieser ist es letztlich, welcher früher einmal für abwechslungsreiche und gemäßigt warme Westwetterlagen über Mitteleuropa verantwortlich war. Ist er heute im Prinzip noch immer – nur eben weiter nördlich.

Nachfolgend einmal eine Übersicht der Ausdehnung des arktischen Meereises in den vergangenen zehn Jahren im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1981 bis 2010.

Das arktische Meereis zieht sich weiter nach Norden zurück und mit ihm auch das Starkwindband
Die Wettervorhersage nach dem europäischen Vorhersage-Modell: Das arktische Meereis zieht sich weiter nach Norden zurück und mit ihm auch das Starkwindband © www.meteociel.fr || wxcharts.com

These 2: Gradientenschwach und Störimpulse

Die Störimpulse treten seit dem Frühjahr 2024 vermehrt auf und stellen eine weitere Anomalie dar, welche man so hat noch nicht beobachten können - zumindest nicht in diesem Ausmaß und in dieser Intensität. Als Störimpulse werden Höhentiefs bezeichnet, welche das Hoch letztlich am Aufbau einer stabilen Wetterlage hindern.

Unwetterartige Niederschläge mit Hochwasser und Überflutungen

Das Besondere an diesen Störimpulsen war und ist, dass diese in das Hochdrucksystem eingeschlossen werden und sich quasistationär verhalten. Mit anderen Worten formuliert: Die Niederschlagsgebiete regnen über mehrere Tage an Ort und Stelle ab. Ein solches prägnantes und hervorzuhebendes Phänomen hat es Ende Mai und Juni über Deutschland und im Oktober über Spanien gegeben.

Viel zu warme Meere

Wo ein Hoch ist, ist Sonnenschein, wo Sonnenschein ist, ist Verdunstung und Auftrieb. Das ist nichts Neues und gab es schon immer. Neu ist hingegen, dass die Weltmeere in Zeiten der Klimaerhitzung deutlich wärmer geworden sind. 2023 und 2024 betrug die Anomalie im Nordatlantik +0,91 Grad. Aktuell liegt die Anomalie bei +0,56 Grad. Das ist in Wasser gespeicherte Energie, welche an anderer Stelle durch höhere Verdunstung wieder freigesetzt wird.

Steigt die Temperatur an Land bspw. um 1 Grad, steigt die Kapazität der Aufnahme an Feuchtigkeit und 7 Prozent. Das entzieht mancherorts die Feuchtigkeit aus dem Boden / Fluss / See / Meer und ergießt sich andernorts im Form von Jahrhundertwetterereignissen. Dürre und Hochwasser liegen also eng beieinander.

Die Meerestemperaturen sind nach wie vor viel zu hoch
Die Wettervorhersage nach dem amerikanischen Vorhersage-Modell: Die Meerestemperaturen sind nach wie vor viel zu hoch © www.meteociel.fr

Punktuelle Ansammlung von Feuchtgebieten

Die zu warmen Meere leisten einen zusätzlichen Beitrag zur Verdunstung, insbesondere das Mittelmeer, das Schwarze Meer und die Ostsee, welche sich noch schneller als der globale Durchschnitt erwärmen.

Die Störimpulse steuern oder generieren sich aus diesen Feuchtgebieten, bleiben jedoch quasistationär verankert und intensivieren den Prozess der Feuchteansammlung. Die Höhentiefs saugen sich voll wie ein Schwamm und regnen zur gleichen Zeit wieder ab. Unwetterartige Regensummen samt Jahrhundert- oder – wie im letzten Jahr – auch Jahrtausendhochwasser sind die Folge.

These 3: Zunahme an gestörten Zirkulationen

Kommen wir zum dritten Punkt – wenn die Westwetterlage kaum mehr präsent ist und auch Schwierigkeiten in der Regeneration hat, ist hoher Luftdruck im Spiel. Dehnt sich dieser an ungünstiger Stelle aus, kommt es zur gestörten Zirkulation. Wir unterscheiden drei Stufen: die gestörte (Hoch Mitteleuropa, Skandinavien), die vollständig gestörte (Hoch Skandinavien, Island, Blockadehoch Atlantik) und die absolut gestörte Zirkulation (Hoch Grönland, Blockadehoch Atlantik, Hoch Ostkanada).

Meridionaler Verlauf der Grundströmung

In den meisten Fällen resultiert daraus ein meridional verlaufendes Strömungsmuster, was entweder eine Nord-Süd- oder eine Süd-Nord-Anströmung der Luftmassen zur Folge hat. Und ja, diese Strömungsvarianten treten seit 2018 vermehrt auf. Eine besondere Konstellation ergibt sich mit einem Skandinavienhoch, bei dem die Grundströmung aus östlichen Richtungen kommt.

Einerlei – diese drei Thesen erklären in vielerlei Hinsicht, was die Ursachen für die Anomalien beim Wetter sind und auch das Wetter in den Sommermonaten prägen werden. Wo das aber in ferner Zukunft enden wird, ist im Moment nicht abzusehen, erst recht nicht bei einer gradientenschwachen Wetterlage und der Durchsetzung von Störimpulsen. Das Wetter wird also auch in Zukunft stark fragmentiert und wenig dynamisch in Erscheinung treten und sowohl Dürren als auch Jahrhunderthochwasser bei weiter ansteigenden Temperaturen provozieren.

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