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Wetterprognose Winter 2021/2022: Der Polarwirbel hat Stabilitätsprobleme

| M. Hoffmann
Nasskaltes Novemberwetter mit frühwinterlichen Wettererscheinungen?

Innerhalb des Polarwirbels zeichnet sich eine Entwicklung ab, die bei der Großwetterlage zu erheblichen Verwerfungen und zu einer hohen Wellenbewegung entlang der Polarfront führen kann. Frühwinterliche Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Wechselhaftes Novemberwetter. Im Schwerpunkt über dem Süden und Osten ist in den kommenden 48 Stunden immer wieder mit Niederschlägen zu rechnen, die regional länger andauernd und am Donnerstag nennenswert ausfallen können. Weiter nach Norden gehen bei wechselnder Bewölkung Schauern nieder, doch viel an Niederschlag ist nicht zu erwarten. Die Temperaturen pendeln sich auf +6 bis +12 Grad ein und können am Donnerstag über dem südlichen Baden-Württemberg und Bayern auf bis +2 Grad absinken. Die Schneefallgrenze schwankt zwischen 600 und 800 Meter (Schneeprognose).

Zweigeteiltes Wetter

Ein Sturmtief verlagert sich am Wochenende von Island in Richtung Skandinavien und beeinflusst mit seinem südlichen Gradienten das Wetter über dem Norden von Deutschland. Bei starker Bewölkung kommt es nur zu leichten Niederschlagsereignissen, die sich bis zum Sonntag nördlich der Linie von Köln und Berlin ausdehnen können. Weiter nach Süden sorgt ein Hochdrucksystem - nach zäher Nebelauflösung - für viel Sonnenschein und einem verbreitet trockenen Wettercharakter. Die Temperaturen erreichen +5 bis +10 Grad und mit Sonnenschein sind bis +12 Grad möglich. Mehr dazu: Wetter November 2021.

Ein Hoch dehnt sich am Wochenende nach Deutschland aus, bekommt aber von einem Tief über Skandinavien einen Dämpfer verpasst
Wetterprognose nach dem europäischen Vorhersage-Modell: Ein Hoch dehnt sich am Wochenende nach Deutschland aus, bekommt aber von einem Tief über Skandinavien einen Dämpfer verpasst
© www.meteociel.fr

Wettervorhersage nach dem europäischen Wettermodell: Beim Wetter ein Auf und Ab

Das Tief auf der obenstehenden Wetterkarte zieht nach Osten ab- und nachfolgend greift das Hoch auf Deutschland über. Doch aus einer ruhigen Hochdruckwetterlage wird vorerst einmal nichts. Dafür sind die Wellenbewegungen entlang der Polarfront zu hoch.

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Der Polarwirbel hat Stabilitätsprobleme

Mit eine Ursache für die hohe Wellenbewegung ist ein Hoch über Kanada, dass sich weit in die Polarregion hinein wagt und zum 10. November zwischen Kanada und den Aleuten Stellung bezieht. Wenn man so will, ist im Ansatz ein Polarwirbelsplit zu erkennen.

Bedingt durch die Drehbewegung des Hochdrucksystems werden kalte Luftmassen polaren Ursprungs in Richtung Neufundland geführt und lassen auf dem Atlantik kräftige Tiefdrucksysteme entstehen. Da sich über Europa ein Hoch befindet, wird die atlantische Frontalzone zunächst blockiert und trogt weit nach Süden aus. Das Hoch macht das genaue Gegenteil davon und keilt weit nach Norden aus und nimmt zugleich Kontakt zum Kontinentalhoch auf.

Die Wiederbelebung des Atlantikwetters

Dem dauerhaften Anrennen der atlantische Frontalzone hat das Hoch bis zum 12. November nichts mehr entgegenzusetzen und zieht sich nach Süden - in Richtung der Azoren - zurück, bleibt jedoch in einer nördlichen Position. Im gleichen Zeitraum verlagert sich die Tiefdruckdynamik zwischen die Barents- und Karasee, während das Hoch über Kanada präsent und dominierend bleibt. Es handelt sich nicht um einem Polarwirbelsplit, sondern im Ansatz um ein sog. Displacement (Verschiebung) mit einem Aktivitätszentrum zwischen der Barents- und Karasee.

Eigentlich gute Voraussetzungen für nasskaltes Novemberwetter

Eigentlich ja, wäre da nicht das Hoch über Kanada. Denn im Verbund der beiden Wettersysteme werden über dem östlichen Kanada unentwegt kalte Luftmassen nach Süden in Richtung Neufundland geführt. Infolge daraus bleibt die Tiefdruckdynamik auf dem Atlantik auf einem hohen Niveau und sollte das Azorenhoch passiver werden, kippt die Grundströmung auf West bis Südwest. Anders formuliert lässt das Hoch über Kanada über Europa keine frühwinterliche Wetterentwicklung zu.

Der Polarwirbel macht derzeit keinen stabilen Eindruck, doch fördert das die Hochdruckdominanz über Europa
Wetterprognose nach dem europäischen Vorhersage-Modell: Der Polarwirbel macht derzeit keinen stabilen Eindruck, doch fördert das die Hochdruckdominanz über Europa
© www.meteociel.fr

Wetterprognose nach dem amerikanischen Wettermodell: Vollständig gestörtes Zirkulationsmuster

Die Wetterentwicklung ist bis zum 12. November ähnlich der Europäer. Das Hoch keilt innerhalb des Polarwirbels von Kanada in Richtung der Aleuten aus und befördert kalte Luftmassen in Richtung Neufundland. Doch anders, wie bei den Europäern zentralisiert sich das Tiefdruckzentrum nicht zwischen der Barents- und Karasee, sondern etabliert sich in einer ganzen Reihe von Tiefdruckgebieten von Island bis über die Karasee. Das hat Konsequenzen.

Aufbau eines imposanten Hochdrucksystems über Europa

Die sog. Tiefdruckrinne verläuft nördlicher und das gibt dem Azorenhoch die Chance, sich nach Europa auszudehnen, die auch wahrgenommen wird.

Zum 14. November erreicht der Kaltluftzustrom auf dem Atlantik einen vorläufigen Höhepunkt und fördert ein Tiefdrucksystem zutage, dass über Island einen Kerndruck von bis 940 hPa erreichen kann. Vorderseitig schiebt das Tief ein Hoch über Europa. Anstatt Vollherbst herrscht über Deutschland, Österreich und der Schweiz ruhiges und zu Nebel und Hochnebel neigendes Wetter vor.

Extrem gestörte Zirkulation

Das Tief auf den Atlantik ist kräftig und wird durch das Hoch über Europa blockiert. Da aufgrund der Dynamik der Energiefluss hoch und irgendwo hin muss, trogt das Tief auf dem Atlantik nach Süden - in Richtung der Azoren - aus. Das Azorenhoch macht seinerseits einen Satz nach Norden und dehnt sich über der Ostküste der USA nach Norden aus. Und auf diese Art und Weise kommt es zu einer extrem meridionalen Grundströmung, was die gesamte Polarfront erfasst. Anders formuliert macht der Polarwirbel nach der Wetterprognose des amerikanischen Wettermodells bis zum 15. November keine gute Figur.

Betonhoch über Europa

Wenn man den zeitlichen Verlauf abbildet, berechnen die Amerikaner in ihrer Wettervorhersage im Zeitraum vom 12. bis 18. November ein über Europa dominierendes Hochdrucksystem. Da gibt es wenig Spielraum. Doch so langweilig wie es auf den ersten Blick aussieht, ist die Wetterlage nicht. Das was die Amerikaner heute berechnen ist eine extrem gestörte Zirkulation, die man nicht so oft zu Gesicht bekommt.

Der Trog auf dem Atlantik wird am nördlichen (!) Gradienten von einer Hochdruckzone abgeschnürt, die sich von Neufundland über Skandinavien bis über das westliche Russland ausdehnt. Das Kuriose dabei ist die Hochdruckzone über Europa, die - zwischen Skandinavien und Deutschland - eine Achse in Richtung der Mittelmeerregion aufbauen kann. Mehr kann ein Hoch die Wetterentwicklung nicht stören.

So kurios das aber auch ist, so ändert sich beim Wetter über Deutschland nichts. Das Wetter hat einen trockenen Charakter und neigt zu zähen Nebel- und Hochnebelfeldern. Die Temperaturen pendeln sich auf +5 bis +10 Grad und örtlich auf bis +12 Grad ein. In den klaren Nächten kann mit leichtem Frost gerechnet werden.

Der Polarwirbel wird durch Hochdruckeinschübe ordentlich durchgerüttelt, was entlang der Polarfront zu einer extremen Wellenbewegung und am Ende zu einer vollständigen gestörten Zirkulation führt
Wetterprognose nach dem amerikanischen Wettermodell: Der Polarwirbel wird durch Hochdruckeinschübe ordentlich durchgerüttelt, was entlang der Polarfront zu einer extremen Wellenbewegung und am Ende zu einer vollständigen gestörten Zirkulation führt
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Auf den Punkt gebracht: Es geht ordentlich zur Sache!

Man merkt es deutlich, wie der Atlantik versucht, die normalisierende Zonalisierung herbeizuführen, doch das Strömungsmuster passt nicht und so kann der November der 20. Monat infolge sein, bei der das meridionale Strömungsmuster das Wettergeschehen dominiert! Das eine meridionale Wetterlage für Freunde des Winterwetters nicht immer positiv zu bewerten ist, zeigt sich nach der Wetterprognose des amerikanischen Wettermodells. Das sah gestern noch ganz anders aus.

Hoch oder Tief?

Doch es gibt eine Entwicklung, die sich in den letzten 24 Stunden verändert hat. Es ist das kräftiger werdende Hoch zwischen Kanada und den Aleuten, was für erhebliche Turbulenzen und damit zu einer erhöhten Wellenbewegung entlang der Polarfront führen wird.

War der Temperaturtrend über Deutschland in den letzten 72 Stunden im Zeitraum vom 8. bis 18. November um +1 bis +2 Grad im Vergleich zum vieljährigen Mittel zu warm simuliert worden, so hat sich das heute mit +0,5 bis +1,5 Grad nur geringfügig verändert, doch das Spektrum fächert weiter auf, was den Spielraum für die extremeren Varianten eröffnet. Bspw. hat das Temperaturspektrum am 10. November in der Höhe von 1.500 Meter bereits eine Differenz von bis 20 Grad vorzuweisen, was über tieferen Lagen zu einer Temperaturentwicklung von -2 bis +14 Grad führen kann. Entscheidend wird sein, auf welcher Seite der Welle Deutschland, die Schweiz und Österreich liegen wird. Anders formuliert, ist zum derzeitigen Stand alles möglich und eine leicht zu warme und trockene Entwicklung wahrscheinlich.

Die extremen Varianten der Kontrollläufen. Klar ist, dass der Polarwirbel keine gute Figur macht und extreme Strömungsmuster möglich sind
Wetterprognose nach dem Mittelwert aller Kontrollläufe: Die extremen Varianten der Kontrollläufe. Klar ist, dass der Polarwirbel keine gute Figur macht und extreme Strömungsmuster möglich sind
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Die Temperaturprognose der Kontrollläufe
Tag Temperatur­spektrum Temperatur­mittelwert
9. November +2 bis
+12 Grad
+6 bis
+9 Grad
13. November +1 bis
+13 Grad
+6 bis
+9 Grad
18. November -3 bis
+13 Grad
+5 bis
+8 Grad
Diagramm Temperaturen November 2021
Die Wahrscheinlichkeiten der Kontrollläufe November 2021 von zu kalt, normal, zu warm im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert (1961 bis 1990)

Update der Wetterprognose von 19:40 Uhr

Wir wollen uns heute Abend einmal dem Polarwirbel und dessen Zustand widmen. Warum? Ganz einfach - dessen Zustand wird einen maßgeblichen Einfluss auf das Wetter im November haben und bleibt das meridionale Strömungsmuster erhalten, kann sich das auch für das Wetter im Winter prägend sein.

Hochdruckkeil innerhalb des Polarwirbels

Darauf gilt es in den kommenden Tagen zu achten. Zwischen Kanada und den Aleuten/Sibirien dehnt sich bis zum 10. November ein Hochdruckkeil aus und stört die Entwicklung des Polarwirbels erheblich. Manche Berechnungen gehen gar so weit, dass es zu einem Polarwirbelsplit - mit allen Konsequenzen - kommen kann. Das ist - gerade in der Stabilisierungsphase des Polarwirbels - nichts Ungewöhnliches, kann in dieser Saison jedoch von erheblicher Bedeutung sein (QBO-Ost; Erhalt des meridionalen Strömungsmusters), erhöht es doch die Wahrscheinlichkeiten einer winterlichen Witterung, bzw. winterlichen Abschnitten.

Eine Hochdruckzone dehnt sich innerhalb des Polarwirbels aus
Wetterprognose nach dem amerikanischen Vorhersage-Modell (li.) und dem Mittelwert aller Kontrollläufe (re.) zum 10. November: Ein Hoch dehnt sich am Wochenende nach Deutschland aus, bekommt aber von einem Tief über Skandinavien einen Dämpfer verpasst
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Eine Vielzahl an Möglichkeiten

Generell gilt, dass wenn der Hochdruckkeil sich in der oben dargestellten Formation aufstellt, es über Europa entweder zu einer Südwest- oder Westwetterlage kommen kann. Warum? Das Hoch befördert über dem östlichen Kanada kalte Luftmassen nach Süden in Richtung Neufundland und befeuert so die atlantische Frontalzone, die unentwegt Tiefdrucksysteme nach Europa entsendet. Legt sich ein Hochdruckkeil über Europa, so läuft die atlantische Frontalzone auf das Hoch auf und es stellt sich eine weitgehend ruhige und ungewöhnlich milde Südwestwetterlage ein.

Das gilt hauptsächlich dann, wenn sich in den Wochen zuvor immer wieder die Westwetterlage (Zonalisierung) hat durchsetzen können. Die feiert mit dem November aber eine bereits über 20 Monate andauernde Abstinenz. Es ist also gut möglich, dass sich das Hoch nicht nur abflacht oder über Europa legt, sondern auf dem Atlantik - oder über Mitteleuropa - nach Norden aufkeilt und die atlantische Frontalzone blockiert. Was folgt, wäre eine extreme Wellenbewegung entlang der Polarfront, die über Deutschland, Österreich und der Schweiz entweder kalte Luftmassen arktischen Ursprungs aus nördlichen Richtungen, oder warme Luftmassen aus südlichen Richtungen zuführt.

Von der Westwetterlage (li.) bis zu einem Arctic Outbreak (Mi.) oder einer ungewöhnlich warmen Süd-Nord-Strömung (re.) ist alles möglich
Wetterprognose nach diversen Kontrollläufen: Von der Westwetterlage (li.) bis zu einem Arctic Outbreak (Mi.) oder einer ungewöhnlich warmen Süd-Nord-Strömung (re.) ist alles möglich
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Die Randfaktoren

Die Ausdehnung des Hochdruckkeils innerhalb des Polarwirbels ist in den Druckanomalien deutlich zu erkennen. Zu erkennen ist aber auch die Tiefdruckaktivität zwischen Island, der Barentssee bis über die Karasee. Entscheidend ist nun, welche Richtung die Achse des Hochdrucksystems einschlägt. Geht es nach dem AO-Index, der vereinfacht den Zustand des Polarwirbels wiedergibt, wird ein in der zweiten Novemberdekade weitgehend neutraler Trend berechnet.

Der NAO-Index, der das Verhältnis zwischen Islandtief und Azorenhoch wiedergibt, sind negative bis allenfalls neutrale Bedingungen zu erwarten. Das spricht mehrheitlich für den Erhalt einer meridionalen Wetterlage.

Die Hochdruckzone zwischen Kanada und den Aleuten/Sibirien
Wetterprognose nach den Druckanomalien: die Hochdruckzone zwischen Kanada und den Aleuten/Sibirien
© climatereanalyzer.org

Schaut man sich die Windgeschwindigkeiten in Stratosphärenhöhe an, so haben diese sich aus einem negativen Bereich kommend normalisiert und erreichen Mitte November Windgeschwindigkeiten von bis zu +150 km/h, was für Mitte November ungewöhnlich hoch ist. Anders formuliert deutet das auf eine hohe Aktivität innerhalb des Polarwirbels hin, die nach einer turbulenten und äußerst spannenden Phase über kurz oder lang zu einer Stabilisierung des Polarwirbels führen wird.

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