Langfristprognose und Wintertrend: Sorgt ein QBO-Ost und der schwächere Golfstrom für einen schneereichen Winter?
Das Wetter ändert sich - für jeden spürbar und mit einer ganz besonderen Auffälligkeit. Das Muster in diesem Jahr ist jedoch anders. Woran liegt das und welche Rückschlüsse lassen sich mit einem schwächer werdenden Golfstrom, einem ungewöhnlich warmen Nordatlantik und einem QBO-Ost auf das Wetter im Winter zu? Ist extremer Niederschlag und damit auch unwetterartiger Schneefall möglich?
Einen Kaltwinter hat es in den vergangenen 13 Jahren nicht mehr gegeben. Es gibt also Jugendliche, welche bislang noch keinen richtigen Winter erlebt haben. Dabei wechselten sich in der Zeit vor der Klimaerhitzung warme und kalte Winter in einem Zyklus von etwa drei Jahren ab. Häufiger waren die Winter von einer Westwetterlage dominiert, welche unter günstigen Bedingungen in eine Nordwest- oder Nordwetterlage kippten und so zu winterlichen Wetterbedingungen führte.
In den letzten Jahren ist die atlantische Frontalzone nicht nur schwächer geworden, sondern seit 2018 fast gänzlich verschwunden, bzw. hat sich ein deutliches Stück - und damit außer Reichweite für Deutschland - nach Norden verschoben. Diesen Sommer fehlte die Westwetterlage wochenlang vollständig. Stattdessen trieben Störimpulse in einer schwach ausgeprägten Wetterlage umher und brachten im Juni und Juli durch ihr quasistationäres Verhalten unwetterartige Regenmengen. Im August folgte eine längere Trockenphase, doch bereits im September erreichten Deutschland die nächsten Störimpulse, während der Oktober nach anfänglichem Niederschlag bis in den November hinein ungewöhnlich trocken verlief. Das ist alles andere als gewöhnlich – und wir werden die möglichen Ursachen noch genauer unter die Lupe nehmen. Kein Wunder, dass viele von ihnen sich fragen: Ist es nicht endlich wieder an der Zeit für einen richtigen Kaltwinter? Also einen Winter, dessen Durchschnittstemperatur zumindest knapp unter dem langjährigen Mittelwert von 1961 bis 1990 liegt?
Der schwächer werdende Golfstrom und der ungewöhnlich warme Nordatlantik
Der Golfstrom wird schwächer und nach den jüngsten Studien und Forschungen ist die Frage nicht mehr ob, sondern wann der Golfstrom kippen wird. Was folgt, ist eine These. Ein schwächer werdender Golfstrom verringert zwangsläufig die Warmwasserzufuhr nach Norden, doch bis das der Fall ist, versandet
das warme Wasser auf der Oberfläche und kann durch die Süßwasserzufuhr des abschmelzenden Festlandeises nicht mehr in die Tiefe gezogen werden. Das ist eine sehr einfache Umschreibung des Vorgangs.
Fakt ist, der Nordatlantik ist deutlich zu warm, die Mittelmeerregion auch. Ein schwächer werdender Golfstrom kann Kaltluftzuströme zwischen Grönland und Island begünstigen, welche nachfolgend auf eine warme und energiegeladene Wassermasse treffen. Das sind die besten Grundlagen für unwetterartige Niederschläge, wie wir sie in diesem Jahr schon mehrfach erfahren durften - quasistationäres Verhalten von kleinräumigen Störimpulsen.
Heftige Niederschläge - unwetterartiger Schneefall?
Und das ist genau der Punkt. Passt die Grundströmung, so wie sie beispielsweise in Teilen von den Vorhersage-Modellen für die letzte Novemberdekade berechnet werden, kann der unwetterartige Niederschlag als Schnee niedergehen. Meist hält sich diese Wetterlage nicht lange und der Schnee verschwindet möglicherweise rasch, doch würden 20 bis 30 cm Schnee nach 13 Jahren einer weitgehenden Abstinenz des Winters vielerorts für chaotische Verhältnisse sorgen können.
QBO-Ost
Die QBO, oft als Herzschlag der mittleren Atmosphäre
beschrieben, beeinflusst die Luftströmungen über dem Äquator maßgeblich. Doch wie genau entsteht dieses Phänomen, und welche Auswirkungen bringt es mit sich?
Die sogenannte Quasi-Biennale Oszillation (QBO) ist ein periodischer Wechsel der Windrichtung in der Stratosphäre über dem Äquator – mal weht der Wind von Westen, mal von Osten. Dieses Schaukeln der Luftströmung findet in Höhen zwischen etwa 15 und knapp 40 Kilometern statt, wobei die stärksten Winde meist in 20 bis 25 Kilometern Höhe auftreten.
Die Wahrscheinlichkeit für tropische Wirbelstürme im Nordwestpazifik steigt während der westlichen Phase der QBO deutlich an, während im südwestindischen Ozean die Wirbelsturmaktivität eher in der östlichen Phase zunimmt. Interessant für den Winter über Deutschland aber ist die plötzliche Stratosphärenerwärmung (Major-Warming), bei der der Polarwirbel über dem Nordpol zusammenbricht. Das kommt im Winter bevorzugt in der östlichen QBO-Phase vor.
Aktuell befindet sich die Quasi-Biennale Oscillation (QBO) in der westlichen Phase. Diese Phase wird durch Westwinde in der Stratosphäre nahe des Äquators charakterisiert. Diese westliche Strömung beeinflusst das globale Klima, insbesondere das Verhalten des Polarwirbels und winterliche Wetterphänomene auf der Nordhalbkugel. Die westliche QBO-Phase wird voraussichtlich bis zum Ende des Jahres 2024 anhalten und könnte in Verbindung mit dem aktuellen solaren Maximum dazu führen, dass sich der Polarwirbel schwächt. Dies wiederum könnte den Zustrom kalter Luftmassen aus der Arktis nach Europa und Nordamerika fördern, was die Wahrscheinlichkeit für Kaltlufteinbrüche und winterliche Extremwetterlagen erhöht.
Normal- oder Kaltwinter?
Die Voraussetzungen für ein zu kaltes oder normales Wetter sind in diesem Winter so günstig, wie schon lange nicht mehr. Der QBO beginnt und wird zur Hochwinterzeit in seine Ostphase übergehen können. Wenn der Stratosphärenwirbel frühzeitig zusammenbricht, wird der Polarwirbel in den unteren Schichten nachfolgen und mit einem chaotischen - mäandrierenden Strömung - entweder zu ungewöhnlich warmen oder eisigen Wetterlage führen können. Was davon Deutschland trifft, muss abgewartet werden.
Aber ja, der sich aktuell anbahnende winterliche Wettertrend zum Beginn der letzten Novemberdekade könnte bereits eine Folge des QBO-Ost sein.
So wird der Winter 2024/25 nach den Langfristmodellen
Kommen wir zum Langfristtrend der Langfristmodelle. Wie immer an dieser Stelle der Hinweis, dass Langfristprognosen einen Trend der Temperaturen und Niederschläge abbilden und keineswegs als Detailprognosen zu verstehen sind.
Langfristwetter Winter nach dem Deutschen Wetterdienst: Die Wintermonate werden über Deutschland mit einer hohen Übereinstimmung zu warm ausfallen können. Der Niederschlagstrend ist tendenziell zu nass, was über dem Norden sehr wahrscheinlich, über dem Süden, Osten und Westen aber noch infrage gestellt werden kann.
Wintertrend nach dem Langfristmodell der NASA: Für den ersten Wintermonat Dezember 2024 wird eine Abweichung der Temperatur gegenüber dem vieljährigen Mittelwert (61/90) von +1,0 bis +2,0 im zu warmen Bereich simuliert. Der Januar und Februar 2025 wird mit einer Differenz von 1,0 bis +2,0 Grad ebenfalls zu warm simuliert. Der Dezember und Februar können leicht zu trocken, der Januar deutlich zu nass ausfallen.
Winterprognose nach dem CFSv2 Modell: Die drei Wintermonate werden allesamt mit einer Anomalie von +2,0 bis +3,0 Grad extrem zu warm berechnet (91/20: +0,8 bis +1,8 Grad). Eine kühlere Phase wird nicht berücksichtigt.
Die Niederschlagsleistung ist von Dezember bis einschließlich Februar in der Fläche neutral zu bewerten. Der Norden soll etwas zu nass, der Süden etwas zu trocken ausfallen.
Wintervorhersage nach dem europäischen Langfristmodell: Der Winter wird sowohl im Dezember als auch im Januar und Februar mit einer Abweichung von +1,5 bis +2,5 Grad zu warm berechnet (91/20: +0,3 bis +1,3 Grad). Die Niederschlagsbilanz ist über alle drei Wintermonate als normal bis leicht zu nass zu bewerten.
Auf den Punkt gebracht
Kein Prognose-Modell zeigt einen Winter, der auch nur annähernd als normal
durchgehen könnte – erst recht nicht einen richtig kalten Winter. Stattdessen deuten alle Modelle auf einen deutlich zu warmen Winter hin, was angesichts der anhaltenden Klimaerhitzung kaum überrascht.
Aber Vorsicht: Langfristprognosen sind mit Vorsicht zu genießen. Falls das meridionale Strömungsmuster tatsächlich dominieren sollte und mit einem QBO-Ost-Einfluss kombiniert wird, könnten uns dennoch ein paar unerwartete Winter-Überraschungen bevorstehen. Schaun mer mal.