Winterprognose: Ungewöhnliche Warmwasserblase auf dem Nordatlantik - Unwetterartiger Schneefall über Deutschland?
Mit dem Wetter stimmt seit einiger Zeit was nicht und lässt sich im Wesentlichen mit der Klimaerhitzung begründen. Doch seit Oktober 2022 ist das Wetter ungewöhnlich warm und seit dem Oktober 2023 ungewöhnlich nass. Rekordwärme und Jahrhundertfluten waren die Folge. Die Ursachen hierfür lassen sich auf dem Atlantik ausmachen. Doch welche Auswirkungen wird das auf den Winter über Deutschland haben?

Manch einem unserer Leser mag es schon aufgefallen sein. Die klassische Westwetterlage gibt es schon lange nicht mehr und vermehrt treten meridional verlaufende Großwetterlagen in Erscheinung. Dieses Phänomen beobachten wir seit etwa 2012 häufiger. Seit 2018 hat es an rund 28 Monaten in Folge keine Westwetterlage mehr gegeben, die ihrem Namen auch gerecht wurde und auch in der jüngeren Vergangenheit konnte man - nachhaltige - Westwetterlagen an einer Hand abzählen. Meridional bedeutet, dass das Strömungsmuster nicht zonal von West nach Ost, sondern von Nord nach Süd, oder von Süd nach Nord verläuft. Seit dem Frühjahr 2024 kommt noch ein weiteres Verhalten der Tiefdrucksysteme hinzu, welches sich nicht so einfach kategorisieren lässt.
Schwachgradientige Wetterlage mit quasistationärem Verhalten von Störimpulsen
Sonderbar auffällig war seit Mai 2024 ein schwachgradientiges Strömungsmuster. Hochdrucksysteme versuchten sich im Aufbau, doch immer in dem Moment, als sich eine Stabilisierung abzeichnete, setzte sich ein Störimpuls durch und machte das, wozu er definiert ist - den Aufbau einer stabilen Wetterlage zu stören. Da dies in einem gradientenschwachen Wetterumfeld passierte, wandelten sich die Störimpulse in Höhentiefs um und waberten über Mitteleuropa mit einem quasistationärem Verhalten umher, mit teils katastrophalen Folgen. So gab es im Mai, Juni, Juli, August und September Wetterlage mit extremem Schadpotenzial. Hochwasser, Sturzfluten, Überflutungen im nicht gekannten Ausmaß waren die Folgen. Von Jahrhundert- und Jahrtausendhochwasser war die Rede.

Ursachenforschung
Was im Oktober 2022 noch Theorie war, ist zwischenzeitlich mit einer neuen Studie bekräftigt worden. Dem Golfstrom geht es nicht gut und ist so schwach wie seit 1.000 Jahren nicht mehr. Den letzten vollständigen Kollaps hat es vor rund 12.00 Jahren gegeben. Die Annahme, dass der Golfstrom an Schwung verliert, ist im Übrigen nichts Neues und wurde in Studien bereits im August 2021 belegt (Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung).
Was hingegen neu ist, ist der Detailgrad der neuen Studie, welche einen Datensatz der letzten 4.400 Modelljahre umfasst. Neu ist auch, dass die Forscher selbst erstaunt und beängstigt über das Ergebnis sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, welche Bedeutung der Golfstrom für unser Klima und Wetter hat:
Die Umwälzbewegung des Golfstroms bewegt pro Sekunde etwa 20 Millionen Kubikmeter Wasser und transportiert dabei mehr als eine Million Gigawatt an Wärmeenergie. Dies entspricht nahezu dem Hundertfachen des gesamten Energieverbrauchs der Menschheit. Die Studie hat herausgefunden, dass sich der Warmwassertransport um 1,2 Milliarden Liter pro Sekunde verringert hat.
Der Golfstrom verlangsamt sich
Der Trend, dass sich der Golfstrom abschwächt, gibt es seit rund 40 Jahren und hat sich in den vergangenen 10 Jahren weiter intensiviert. In Summe sind das rund 1,2 Milliarden Liter Wasser pro Sekunde, die jetzt weniger nach Norden geführt werden. Was aber ist die Folge von einem langsam werdenden Golfstrom? Warme Wassermassen werden aus südlichen Richtungen nach Norden geführt, kühlen ab und Süßwasser wird entzogen. Die Salzwasserkonzentration nimmt zu und da kaltes und salziges Wasser schwerer
ist, sackt es nach unten ab und zieht an der Oberfläche warmes Wasser nach. Dieser Vorgang beschreibt - stark vereinfacht - den intakten Golfstrom, welcher für das gemäßigt milde Klima in Mittel- und Nordeuropa verantwortlich ist.
Die noch nie dagewesene Anomalie des Nordatlantiks setzt sich fort
Wenn durch die Klimaerhitzung die Eismassen stärker als üblich abschmelzen, wird dem System mehr Süßwasser zugeführt und vermischt sich mit dem Salzwasser. Das wiederum führt dazu, dass sich die schwere Wassermasse
verdünnt und nicht mehr nach unten absinken kann. Was folgt, ist ein ins Stottern geratenes Systems Golfstrom.
Da nun aber von Süden weiter warme Wassermassen nachfolgen und nicht mehr abgebaut werden können, kommt es zu einem Stau der warmen Wassermassen. Schaut man sich die nachfolgende Grafik einmal an, so erkennt man das Dilemma.

Weitreichende Folgen für das Wetter über Deutschland
Wo eine Aktion ist, ist zwangsläufig eine Reaktion festzustellen. Ganz gemäß dem Motto: Aktio gleich Reaktio. Welche Ursachen die Warmwasserblase auf dem Nordatlantik haben wird, bleibt im Detail noch abzuwarten. Warum? Das gab es bislang nicht und Erfahrungswerte fehlen. Aber es gibt Thesen, mit denen man arbeiten kann. Bevor wir aber tiefer einsteigen, noch ein anderes Diagramm, welches verdeutlicht, mit welcher Anomalie wir es zu tun haben.
Zunächst einmal der IST-Zustand im Vergleich zu den Vorjahren. Betrachten wir einmal die Anomalie. Die rote Linie ist der aktuelle Zustand der SST (Sea Surface Temperature). Die ist - global betrachtet - im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1982 bis 2010 um +0,83 Grad zu warm. Wärme ist Energie und bei den globalen Wassermassen ist das eine enorme Energiemenge, die da gespeichert ist. Schaut man genauer hin, so erkennt man, dass auch das Jahr 2023 eine völlige Anomalie darstellt - weit weg von den Mittelwerten von 1991 und 2020, sowie 1982 und 2010.

Der extrem warme Nordatlantik
Betrachtet man nur den Nordatlantik, so liegt die Differenz im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1982 bis 2011 bei +1,28 Grad. Das zeigt, wie ungewöhnlich hoch die Anomalie im Vergleich zu den ohnehin schon warmen Weltmeeren ist. Da steckt ein enormes Energiepotential drin, welches in 2024 zu den teils katastrophalen Wetterereignissen führte. Besorgniserregend - insbesondere vor dem Hintergrund, dass heute freigesetztes Kohlendioxid erst in 10,1 Jahren wetterwirksam wird.

Wie wird der Winter?
Die spannende Frage also ist, welche Auswirkungen der viel zu warme Nordatlantik auf das Wetter im Winter haben wird? Setzt sich das quasistationäre Verhalten fort, so ist mit einem milden Winter - unter bestimmten Voraussetzungen auch mit einem Supermildwinter - zu rechnen. Der Fokus aber liegt auf den Kaltluftphasen, der meridionalen Grundströmungen, welche auch im Frühling und Sommer 2024 kühlere Phasen möglich machten. Insofern lässt sich das Schema in zwei Thesen (Annahmen) einordnen.
These 1: Stationäres Tiefdruckverhalten
Warmes Wasser hat einen höheren Energiegehalt und Energie kann nicht vernichtet, sondern nur umgewandelt werden. Jetzt ist es aber so, dass sich das erhöhte Energiepotential zwischen dem östlichen Kanada und Grönland befindet. Für gewöhnlich strömen kalte Luftmassen über dem östlichen Kanada nach Süden aus, treffen bei Neufundland auf den warmen Atlantik. Kräftige Tiefdrucksysteme entstehen. Infolgedessen etabliert sich die atlantische Frontalzone und drängt in Richtung Skandinavien. Abschließend befinden sich Deutschland, Österreich und der Schweiz in einer zonal verlaufenden Grundströmung mit einem wechselhaften, windigen und nasskaltem Wetter.
Das war im Übrigen die Prognose für den vergangenen Winter 2023/24 vom Oktober 2023! Jetzt kommts: Gleiches kann man auch für den Sommer mit einem quasistationärem Verhalten von Störungen mitsamt unwetterartigen Starkregenereignissen und einem Auf und Ab der Temperaturen erwarten
. Das war die Ableitung der These für die Wetterprognose Sommer vom Februar 2024!
Also ja, mit These 1 lässt sich arbeiten und so wäre unter Strich mit ein nasser, teils windiger und milder Winter 2024/25 zu erwarten. Das würde auch der Statistik entsprechen, denn in Zeiten der Klimaerhitzung waren die Winter der vergangenen 20 Jahre in 15 Prozent der Fälle normal, 15 Prozent zu kalt und 70 Prozent zu warm.
These 2: Die gestörte Zirkulation
Kurz zur Erklärung, was ist die gestörte Zirkulation? Bei den gestörten Zirkulationsmustern gilt es, zwischen drei unterschiedlichen Formationen zu unterscheiden. Die normal gestörte
Zirkulation, welche die atlantische Frontalzone blockiert und - im Winter - am südlichen Gradienten kalte und trockene Festlandsluft aus östlichen Richtungen nach Deutschland führt.
Mäandrierende Großwetterlage
Daneben gibt es noch die vollständig gestörte Zirkulation, welche ebenfalls mit einem Skandinavienhoch in Erscheinung treten kann. Entscheidend aber ist, wie weit sich die Hochdruckzone nach Westen ausdehnen und die Frontalzone verhindern kann. Kuriose - gestörte - Zirkulationsmuster kommen so zustande. Meist mäandriert die Großwetterlage infolgedessen./p>
Zum Abschluss noch die absolut gestörte Zirkulation. Diese kommt dann zustande, wenn sich das Skandinavienhoch über das europäische Nordmeer weiter in Richtung Grönland und Kanada entwickeln kann. Die atlantische Frontalzone wird bereits im frühen Entwicklungsstadium gestört und muss andere Wege finden. Meist geschieht das über das europäische Nordmeer, und da sich das Hoch über Grönland befindet und sich im Uhrzeigersinn dreht, werden mithilfe des Tiefdrucksystems über Skandinavien kalte Luftmassen nach Süden geführt. Ein kalter bis normaler Winter wäre die logische Konsequenz hieraus.
Abnehmende Dynamik, vermehrte Störimpulse aus nördlichen Richtungen
Kommen wir zu einer gewagten
These. Seit 2016 hat sich vermehrt eine sog. gestörte Zirkulation feststellen lassen. Als gestört gilt also alles, was eine nachhaltig agierende Westwetterlage samt Tiefdruckrinne verhindert, und das trat seit 2016 überproportional häufig auf. Und ja, schwächelt der Golfstrom, so schwächelt auch die Zufuhr von warmem Wasser in Richtung Skandinavien. Das Druckgebilde nimmt ab und eine gradientenschwache Struktur bildet sich ab - exakt das, was sich seit Mai 2024 vermehrt beobachten lässt - die Dynamik ist raus und fördert das quasistationäre Verhalten der Tiefdrucksysteme.
Kaltes Winterwetter mit viel Schnee, Eis und Frost?
Abwarten ist angesagt. Die Temperaturanomalie auf dem Nordatlantik ist ungewöhnlich, und man wird sehen, was aus der Tiefdruckaktivität auf dem Atlantik im Herbst werden wird. Die Warmwasserblase ist seit 2022 ein Novum. Mithilfe der meridionalen Grundströmungen wird es neben ungewöhnlich warmen wohl auch kühlere Nord-Süd-Phasen geben können. Durch die Gradientenschwäche werden sich Störungen länger behaupten und durch ihr quasistationäres Verhalten phasenweise bis auf tiefere Lagen herab für unwetterartige Neuschneemengen sorgen können. Diese Schneemengen werden jedoch nur von kurzer Dauer sein. Um es aber auf den Punkt zu bringen, ist ein zu warmer bis erheblich zu warmer Winter deutlich wahrscheinlicher als normales oder zu kaltes Winterwetter. Beide Thesen ähneln sich im Ergebnis - der wesentliche Unterschied der zwei Thesen liegt in der Schneeprognose.
Was droht bei einem Kollaps des Golfstroms?
Forscher sind selten beängstigt, weil sie ein bestimmtes Ergebnis als erwartbar annehmen. Neu ist das Versiegen des Golfstroms zudem auch nicht. Unklar ist auch, ob der Golfstrom sein Kipppunkt 2025, 2026 oder erst viel später erreichen wird. Er wird aber nach der neuen Studie seinen Kipppunkt erreichen.
Beängstigend sind die Berechnungen hauptsächlich vor dem Hintergrund, dass die Warmwasserzufuhr nicht mehr gelingt und Europa extrem infolge daraus stark abkühlt. Die Winter werden in Etappen um 10 bis 30 Grad kälter ausfallen können. Ein Leben, wie man es vorher kannte, wird dann insbesondere über Skandinavien und England nicht mehr möglich sein.
Es ist doch nur eine Modellsimulation?!
. Das ist der zweite Punkt, der beängstigend ist. Es handelt sich um Realdaten aus dem Südatlantik (keine Simulation), welche darauf hindeuten, dass der Golfstrom (AMOC) auf Kippkurs ist.
Was sich 2024 hat beobachten lassen, dass die Kippmuster jeweils von einem weit nach Süden austrogenden Polarwirbel initiiert wurden, während der hohe Luftdruck weit draußen auf dem Atlantik verweilte. Möglich, dass dies die ersten Folgen auf das Wetter des sich abschwächenden Golfstroms und des ungewöhnlich warmen Nordatlantiks sind.
Und so bleibt die Schlussfolgerung: Man befindet sich inmitten eines großen Experimentes mit der Lebensgrundlage von Mensch und Tier
.