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Wettertrend: Der Versuch einer Destabilisierung des Polarwirbels und die möglichen Konsequenzen

| M. Hoffmann
Typisches Novemberwetter?

Hochdrucksysteme beginnen in den kommenden Tagen damit, in den Polarwirbel hinein vorzudringen. Gelingt das, wird der Polarwirbel nicht nur destabilisiert, sondern kann unter bestimmten Voraussetzungen auch für Überraschungen sorgen. Die Entwicklung der Großwetterlage wird spannender.

Atlantische Tiefdruckausläufer dehnen sich in den kommenden Tagen weiter in Richtung Europa aus und beginnen das Wetter über Deutschland zu beeinflussen und beenden das ruhige Spätsommerwetter.

Das Wetter im November wird unbeständiger und windiger

Heute ist - sofern sich regional vorhandene Nebelfelder auflösen - mit viel Sonnenschein zu rechnen und die Temperaturen erreichen mit +15 bis +20 Grad und über der Südhälfte mit bis +22 Grad nochmals spätsommerliche Werte. In der Nacht auf den ersten November greift eine atlantische Störung auf Deutschland über und sorgt über dem Nordwesten für stürmische Windböen (Windprognose). Aus den Wolken ist über dem Westen etwas Niederschlag möglich, doch wird nicht viel zu erwarten sein und auf dem Weg nach Osten fällt das Regengebiet regelrecht in sich zusammen (Niederschlagsprognose). Am 3. und 4. November erreicht eine weitere Störung Deutschland und kann bei einem böigen bis kräftigen Wind für nennenswerten Niederschlag sorgen. Die Temperaturen gehen allmählich zurück und pendeln sich bis zum Samstag auf +8 bis +12 Grad und mit einer längeren Sonnenscheindauer bis +14 Grad ein. Über den Alpen können die Schauer bis auf 1.500 Meter herab in Schnee übergehen. Mehr dazu in der aktuellen Wetterprognose zum Wetter November 2022.

Die atlantische Frontalzone greift zum Wochenende auf Mitteleuropa über
Die Wetterprognose des europäischen (li.), amerikanischen (re.) Wettermodells: Die atlantische Frontalzone greift zum Wochenende auf Mitteleuropa über © www.meteociel.fr

Die Regenprognose

Wirklich nennenswert sind die Schauer bis zum 3. November mit 5 bis 10 l/m² nur über Nordrhein-Westfalen, rund um den Schwarzwald und über den Küstenregionen. Deutlich abwechslungsreicher wird es am 4. und 5. November, wenn westlich einer Linie vom Schwarzwald und Rostock, sowie dem Alpenvorland und den Alpen, Regensummen von 8 bis 20 l/m² und örtlich bis 25 l/m² zusammenkommen können. Weiter nach Osten verpufft der Regen und mehr wie 0 bis 5 l/m² werden nicht zu erwarten sein. Details bleiben zwar noch abzuwarten und hängen von der Zugbahn der Frontensysteme ab, doch bestätigen sich die Niederschlagsschwerpunkte in den Prognose-Modellen.

Links die Regenprognose der Europäer, in der Mitte die der Amerikaner und rechts daneben die Deutsche: Regen über dem Westen und Teile vom Süden, sonst bleibt es verbreitet trocken
Links die Regenprognose der Amerikaner und rechts daneben die Deutsche: Regen über dem Westen und Teile vom Süden, sonst bleibt es verbreitet trocken © windy.com

Ein Polarwirbelsplit

Die Vorhersage-Modelle berechneten in den letzten Tagen immer wieder die Möglichkeit eines Polarwirbelsplits. Gestern hatten wir die Randfaktoren näher betrachtet, um herauszufinden, wie wahrscheinlich und nachhaltig ein Polarwirbelsplit sein kann. Heute wollen wir die Vorhersage-Modelle einmal näher betrachten.

Die Europäer: Kein Split, doch erheblich gestörter Polarwirbel

Interessant sind zwei Akteure, die in Form von Hochdrucksystemen über den Aleuten und Osteuropa auftreten. Die Frage wird sein, ob es den beiden Hochdrucksystemen gelingen wird, eine Querverbindung - durch den Polarwirbel hindurch - aufzubauen. Nach der aktuellen Prognose beginnt der Aufbau der Querverbindung zum 6. November, doch ist die Wirbelaktivität über Kanada ungewöhnlich hoch und zieht das Hoch über den Aleuten in Richtung Alaska und Grönland. Dort positioniert, kommt ein dritter Akteur in Form eines Hochdrucksystems über der Ostküste der USA ins Spiel, das seinerseits nach Norden aufstrebt und die Verbindung zum Hoch Alaska/Grönland sucht.

Erhebliche Verwerfungen

Damit wird dem Hoch über Osteuropa jedoch das Potential genommen, um sich weiter in den Polarwirbel hinein zu entwickeln. Doch auch über Kanada verpufft das Potential relativ zügig und der Polarwirbel stabilisiert sich bis zum 10. November im Bereich vom östlichen Kanada über das europäische Nordmeer und der Barentssee bis über die Karasee in Form von zwei Clustersystemen.

Zonalisierung?

Da die aktiv-dynamische Wetterzone durch zwei Cluster bestimmt wird, ergibt sich zwischen den Systemen die Möglichkeit zum Aufbau einer stabilen Tiefdruckrinne. Deutschland, Österreich und die Schweiz liegen nach der Wetterprognose der Europäer am südlichen Rand der Wetterzone und sollte diese sich so einstellen können, kann sich über kurz oder lang die Westwetterlage (Zonalisierung) durchsetzen.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die eigentlich für Deutschland vorherrschend und dominierend zonal verlaufende Grundstruktur in den letzten Jahren - und signifikant seit 2018 - seltener in Erscheinung tritt (Klimaerhitzung: Mehr Hitze und Trockenheit aufgrund eines schwachen Golfstromes und meridionalen Großwetterlagen?). Man darf also gespannt sein, was in den kommenden Tagen aus dem Versuch zum Aufbau einer zonalen Großwetterlage tatsächlich wird.

Erhebliche Verwerfungen innerhalb des Polarwirbels dauern nur kurz an und können über Mitteleuropa zu einer zonal verlaufenden Großwetterlage führen
Wetterprognose nach dem europäischen Wettermodell: Erhebliche Verwerfungen innerhalb des Polarwirbels dauern nur kurz an und können über Mitteleuropa zu einer zonal verlaufenden Großwetterlage führen © www.meteociel.fr

Die Amerikaner: Der Polarwirbel sieht nicht gut aus

Die zaghaften Hochdruckeinschübe in den Polarwirbel hinein berechnet heute auch die Wetterprognose der Amerikaner, doch mehr wie eine hohe Wellenbewegung entlang der Polarfront kommt bis zum 9. November nicht zustande. Eine hohe Wellenbewegung entlang der Polarfront ist zugleich ein klares Signal, das gegen eine Zonalisierung und für eine meridional strukturierte Großwetterlage spricht.

Der Polarwirbel wird in die Zange genommen

Die Hochdrucksysteme aber lassen nicht locker und dehnen sich bis zum Beginn der zweiten November-Dekade immer wieder in den Polarwirbel hinein aus. Bemerkenswert ist jedoch ein Vorgang, der zum 11. November simuliert wird. Zwischen Kasachstan, China und Russland baut sich ein Hochdruckgebiet auf, das über das östliche Sibirien eine Querverbindung zum Hoch über Alaska und den Aleuten aufbauen kann. Zur gleichen Zeit strebt ein Keil des Azorenhochs über Spanien und England in Richtung europäisches Nordmeer. Diese Vorgänge bleiben nicht ohne Wirkung.

Der Hochdruckkeil über Europa kippt zügig nach Osten ab und geht eine Verbindung mit dem Kontinentalhoch ein. Egal, was die atlantische Frontalzone anstellen wird - gegen dieses Hoch haben die Tiefdrucksysteme keine Chance, eine zonal verlaufende Wetterlage durchzusetzen. Stattdessen werden Kaltlufttropfen (Höhentief in der oberen Troposphäre) eine Rolle spielen können. Zudem lässt das Hoch über den Aleuten nicht locker und dringt mit zunehmender Macht in den Polarwirbel hinein vor und kann bis zum 15. November für einen Polarwirbelsplit sorgen, bei dem Deutschland, Österreich und die Schweiz sich am westlichen Rand eines Kaltlufttropfens befinden.

Sollte sich diese Wetterprognose durchsetzen können, so können die Temperaturen am 10. November noch Werte von +12 bis +17 Grad erreichen und bis zum 15. November mit +4 bis +8 Grad und über dem Westen bis +12 Grad in den Bereich absinken, der für November so typisch ist.

Anzumerken ist auch hier, dass es sich um eine ganz spezielle Wetterentwicklung handelt, doch zeigt diese eindrücklich, mit welchen Störimpulsen es der Polarwirbel in den kommenden Tagen zu tun bekommen wird.

Der Polarwirbel gibt kein stabiles Gesamtbild mehr ab und im Ansatz wird Mitte November ein Polarwirbelsplit gezeigt
Wetterprognose der Amerikaner: Der Polarwirbel gibt kein stabiles Gesamtbild mehr ab und im Ansatz wird Mitte November ein Polarwirbelsplit gezeigt © www.meteociel.fr

Auf den Punkt gebracht: Ein deutlich zu warmer Wettertrend

Doch so spannend die Wetterprognosen der Vorhersage-Modelle derzeit auch sind, die Kontrollläufe ziehen nicht mit und spiegeln ein konträres Bild wider.

Der Mittelwert der Temperaturen sackt zwischen dem 4. und 5. November nur kurzzeitig in den für November so typisch nasskalten Bereich ab. Nachfolgend ist das Temperaturniveau deutlich positiv besetzt und weist gegenüber dem vieljährigen Mittelwert bis zum 15. November ein über dem Norden um +1 bis +2 Grad und über dem Rest von Deutschland um +2 bis +4 Grad zu warmes Niveau aus.

Es gibt zwar eine breite Streuung, doch liegt die Mehrheit der Kontrollläufe im deutlich zu warmem Bereich. Warum das so ist, zeigt sich im untenstehenden Mittelwert aller Kontrollläufe mit einem Tiefdruckzentrum über Island und einer daraus resultierend dominanten Südwestanströmung der Luftmassen sehr gut. Erkennbar aber ist auch eine gradientenschwache Struktur des Polarwirbels, was den Spielraum für Splits oder Displacements des Wirbels grundsätzlich offen hält.

Die Niederschlagsprognose

Im Zeitraum vom 4. bis 7. November bestätigt die Niederschlagsprognose der Kontrollläufe einen unbeständigen Wettercharakter, der sich über der Nordhälfte bis zum 10. November behaupten kann. Über dem Süden lässt die Niederschlagsleistung zum 8. November nach und greift zum 10. November auf die Nordhälfte über, was für ein dominantes Hochdrucksystem spricht.

Zum Durchbruch in den Vollherbst fehlt noch was
Wetterprognose nach dem Mittelwert aller Kontrollläufe: Zum Durchbruch in den Vollherbst fehlt noch was © www.meteociel.fr

Die Temperaturprognose der Kontrollläufe
Tag Temperatur­spektrum Temperatur­mittelwert
6. November +8 bis
+18 Grad
+10 bis
+12 Grad
10. November +8 bis
+16 Grad
+10 bis
+13 Grad
15. November +1 bis
+15 Grad
+9 bis
+11 Grad
Diagramm Temperaturen November 2022
Die Wahrscheinlichkeiten der Kontrollläufe November 2022 von zu kalt, normal, zu warm im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert (1961 bis 1990)

Die Winter-Prognose des Langfristmodells

Das Langfristmodell berechnet für das Wetter im November eine Temperaturanomalie von +2,0 bis +3,0 Grad (91/20: +1,2 bis +2,2 Grad) und bestätigt damit erneut die These, dass ein Warmluftschub wahrscheinlicher als eine markante Abkühlung ist. Heute wurde über den östlichen Landesteilen mit einer Anomalie von bis +4,0 Grad sogar noch einmal etwas oben darauf gesetzt.

Der Dezember wird mit einer Differenz von +1,0 bis +2,0 Grad über ganz Deutschland zu warm berechnet (91/20: +0,0 bis +1,0 Grad). Über Skandinavien beträgt die Abweichung im Trend sogar bis +4,0 Grad. Da kann man sich als Freund des Winterwetters schon fragen, woher die winterliche Kälte denn kommen soll?

Der Januar 2023 wird mit einer Abweichung von +1,0 bis +2,0 Grad - und im Trend von bis +2,5 Grad - ebenfalls deutlich zu warm (91/20: -0,4 bis +1,1 Grad) simuliert.

Für den Februar 2023 berechnet das Langfristmodell eine Temperaturanomalie von +1,5 bis +3,0 Grad im deutlich zu warmen Bereich (91/20: +0,4 bis +1,9 Grad). Am Ende soll der Winter mit einer Abweichung von +1,5 bis +2,5 Grad (91/20: +0,3 bis +1,3 Grad) deutlich zu warm ausfallen können.

Die Niederschlagsprognose für den November fällt - wie für den Dezember - deutlich negativ und damit zu trocken aus, was den Rückschluss auf eine Hochdruckdominanz zulässt. Interessant ist der Blick auf Nordeuropa, das über weite Teile von Norwegen einen positiven Niederschlagstrend berechnet. Möchte man das interpretieren, läuft die atlantische Frontalzone auch im November und Dezember auf das Hoch auf und sorgt möglicherweise für einen Fortbestand der Südwestwetterlage. Der Januar wird normal bis leicht zu trocken und der Februar etwas zu nass simuliert.

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