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Warum die Winter so warm geworden und woran warme Winter frühzeitig zu erkennen sind

| M. Hoffmann
Woran lässt sich ein zu warmer Winter schon frühzeitig erkennen?

Der Winter scheint derzeit über Mitteleuropa chancenlos zu sein - und das seit Jahren. Warum ist das so und vor allem - bleibt das so?

Wer uns kennt, kennt auch unseren Spruch: Warm gewinnt zunehmend häufiger. Da mögen die Vorhersage-Modelle noch so tolle - teils auch winterliche - Konstrukte berechnen, doch kurz bevor es so weit ist, kommt der nächste Warmluftschwall nach Deutschland hereingeschwappt und wirft die kühnsten Winterfantasien über den Haufen - sehr zum Frust aller Freunde des Winterwetters.

Warum die Winter so warm sind?

Diese Frage wurde uns in den letzten Jahren häufiger gestellt und wir versuchen einmal zu erklären, woran das liegen mag.

Kaltluftvorstoß über dem östlichen Kanada

Die Freunde des Winterwetters bekommen regelmäßig rote Flecken im Gesicht, wenn sie lesen müssen, dass über dem östlichen Kanada kalte Luftmassen nach Süden in Richtung Neufundland strömen. Bedeutet das zugleich eine dortig ansteigende Tiefdruckaktivität. Nachfolgend ziehen die Tiefdruckgebiete in Richtung Island und Skandinavien und vereiteln dadurch jegliche Ambitionen von winterlichen Wetterlagen und neigen eher zu zonalen Strömungsmuster, die nicht selten mit einer Südwestwetterlage besonders mild ausfallen.

Kalte Luft strömt über dem östlichen Kanada in Richtung Neufundland
Wetterprognose des amerikanischen Wettermodells: Kalte Luft strömt über dem östlichen Kanada in Richtung Neufundland
© www.meteociel.fr

Besonders fies sind für Winterliebhaber aber dann die Situationen, wie sie im Hochwinter der letzten Jahre häufiger zu sehen waren und den Temperaturüberschuss weiter in die Höhe treiben, wenn das Hoch über Mitteleuropa liegt und im Verbund mit der Tiefdruckaktivität aus südlichen Richtungen warme - nicht milde - Luftmassen nach Deutschland befördert.

Was aber ist die Ursache?

Der Kaltluftvorstoß über Kanada ist aber nur das Resultat einer Ursache, die im Polarwirbel zu finden ist. Mag es im Sommer oder Herbst noch so schöne gestörte oder meridional verlaufende Zirkulationsmuster gegeben haben - pünktlich mit dem Dezember geht das Spiel der Zonalisierung stets von Neuem los. Was sich in den letzten Jahren aber beobachten ließ, war, dass das sibirische Hochdrucksystem - schon frühzeitig zum Winter - eine Hochdruckbrücke in Richtung Kanada und Alaska aufbauen konnte.

Die Hochdruckbrücke zwischen Sibirien und Kanada/Alaska führt kalte Luftmassen nach Kanada
Die Hochdruckbrücke zwischen Sibirien und Kanada/Alaska führt kalte Luftmassen nach Kanada
© www.meteociel.fr

Das alleine bedeutet noch nicht einen zu milden Winter, es legt aber den Grundstein hierfür frühzeitig fest. Wird dieser Zyklus nicht gestört, so festigt sich das Strömungsmuster und über Kanada wird es zunehmend kälter. Kälte und Landmassen bedeuten aber eine gute Grundlage für Hochdrucksysteme und da diese sich im Uhrzeigersinn drehen, verstärkt sich das Muster der ausströmenden Kaltluft über dem östlichen Kanada - aus die Maus für den Winter, was sich in den Druckanomalien bspw. vom 6. Dezember 2019 besonders gut widerspiegelt. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt war klar, dass der Winter bis Weihnachten und möglicherweise auch darüber hinaus keine Chance haben wird. Letztlich war der Winter 2019/2020 einer der schneeärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen und im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961-1990 um +3,9 Grad viel zu warm.

Druckanomalie vom 6. Dezember
Druckanomalie vom 6. Dezember © climatereanalyzer.org

Hat die Meereisfläche der Arktis damit etwas zu tun?

Das ist eine These, an die wir glauben, wobei der Glaube - wie immer - nicht mit Wissen gleichzusetzen ist. Doch was Forscher feststellen, ist ein steter Rückgang der Meereisfläche in der Arktis - also dort, wo im Winter der Polarwirbel wütet und das Wetter über Deutschland maßgeblich beeinflusst. Gut zu sehen, ist das Defizit der letzten Jahre, dessen Rekord im Jahre 2012 aufgestellt wurde, auf der nachfolgenden Grafik.

Die Meereisausdehnung der Arktis liegt seit Jahren unter dem Mittel
Die Meereisausdehnung der Arktis liegt seit Jahren unter dem Mittel
© www.meereisportal.de/

Graue Theorie oder was ist da dran?

Es mag zunächst einmal abstrakt klingen, dass eine Eisfläche über der Arktis einen Einfluss auf unser Wetter haben kann. Dabei spielt weniger das Eis als Kältepol eine Rolle, sondern vielmehr dessen Reflexionsfähigkeit. Die Eisfläche sorgt mit ihrer sog. Eis-Albedo-Rückkopplung für eine polare Verstärkung und spielt damit eine wichtige Rolle im Klimasystem der Erde.

Warum? Eis reflektiert die Sonnenstrahlen und weder Land- noch Wassermassen können sich entsprechend erwärmen - die Energie wird quasi zurückgeworfen. Fehlt nun das Eis, so ist ein gegenteiliger Effekt zu erwarten. Die Energie wird durch das Meer aufgenommen, gespeichert und beschleunigt im schlimmsten Fall noch den Rückgang des arktischen Eisschildes. So verwundert es nicht, dass sich die arktische Meereisausdehnung im September seit 1979 quasi fast halbiert hat! Im gleichen Zeitraum hat sich aber auch die Meereisdicke nahezu halbiert!

Dabei ist der Mechanismus, wie das arktische Meereis das Wetter und Klima über Europa beeinflussen kann noch nicht vollständig verstanden. Eine aber durchaus plausible Erklärung liefert das Alfred-Wegener-Institut mit folgendem Zitat:

… als dass das arktische Meereis im Winter relativ warmes Wasser (circa 0 Grad Celsius) von sehr kalter Luft (bis zu −40 Grad Celsius) abschirmt. Mit einem Rückgang des Meereises wird die Atmosphäre deshalb von unten her stark vom Meer erwärmt. Durch eine großflächige Abnahme des Meereises wird sich deshalb der Temperaturunterschied zwischen den niederen und den hohen Breiten, der Hauptantrieb für die atmosphärischen Windsysteme reduzieren. Der Rückzug der Meereiskante nach Norden hat auch einen Einfluss auf die Hauptzugbahnen der Tiefdruckgebiete, die von der Meereiskante beeinflusst werden, und damit auf die Großwetterlagen in den benachbarten Regionen…. Zitat: Alfred-Wegener-Institut

Global umfassende Windsysteme

Das Problem sind also die Windströmungen, die sich mit einer rückgängigen Meereisfläche verändern können. Evtl. sind damit auch die meridional verlaufenden Strömungsmuster in den Sommermonaten 2018, 2019 und 2020 zu erklären, bzw. die Hochdruckbrücke in den Wintern zwischen Sibirien und Kanada/Alaska. Zudem wurde vom Alfred-Wegener-Institut (AWI - Dr. Ralf Jaiser) festgestellt, dass im letzten Jahrzehnt - vor allem im Herbst und Winter - deutlich erhöhte Temperaturen in den unteren Atmosphärenschichten der Arktis gemessen wurden, welche mit der geringeren Meereisausdehnung in Zusammenhang stehen.

Nun haben aber höhere Temperaturen die Eigenschaft nach oben aufzusteigen, was wiederum die Stabilität der Atmosphäre beeinflusst. Daraus können sich an bestimmten Stellen dynamische Zyklone ausbilden und ihr Unwesen treiben. Auf der anderen Seite aber sorgt der hohe Luftdruck für den Ausgleich (Rotationsschema). Wie zuvor erwähnt - es ist ein Erklärungsversuch.

Ein zweiter Ansatz könnte darin liegen, dass der Rückzug der Meereiskante nach Norden die Tiefdruckaktivität ebenfalls weiter nach Norden wandern lässt und damit das Azorenhoch weiter nach Norden verfrachtet. Auf andere Art formuliert: befanden sich die Tiefdrucksysteme früher auf einer südlicheren Bahn (West-, bis nasskalt Nordwest), so erreichen diese Mitteleuropa kaum mehr und laufen auf das nach Norden verschobene Hoch auf. Gut dargestellt wird das in den aktuellen Druckanomalien:

Eine nach Norden verschobene Tiefdruckzone
Druckanomalie bis zum 31. Januar - Eine nach Norden verschobene Tiefdruckzone © climatereanalyzer.org

Woran sind zu warme Winter zu erkennen?

Exakt das Schema des Kaltlufttransportes in Richtung Kanada sollte von jedem, der den Winter mag, gefürchtet sein. Stellt sich dieses Schema bereits im November ein und festigt sich im Dezember mit einem Hoch über Kanada und nachfolgenden Kaltluftabgang über dem östlichen Kanada in Richtung Neufundland, so steigen die Wahrscheinlichkeiten für einen zu warmen Winter, der zudem zonal geprägt ist, frühzeitig. Unterbrochen kann dieses Schema durch Polarwirbelsplits, sowie durch QBO-Ost-Wandlungen und dem sog. Major-Warming.

Nie wieder Winter?

Hätten manche wohl gern, doch ist diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Ja, der Klimawandel beeinflusst das gesamte System. Und da dies in einem fortlaufenden Prozess geschieht, verändern sich auch die Parameter - permanent. Und damit ist keineswegs sichergestellt, dass diese Strömungsmuster, bzw. die globalen Winde immer die gleichen bleiben. Nichts bleibt gleich. Und aufgrund dieser Veränderungen sind auch wieder kältere Winter - auch in Zeiten des Klimawandels - nicht auszuschließen.

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