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Wie wird der Winter 2016/17: Die Randfaktoren, bzw. das Setup

| M. Hoffmann
In unserem dritten Teil zur Frage "Wie wird der Winter 2016/17?" gehen wir nun näher auf die Randfaktoren, bzw. den sog. Setups näher ein. Zeigte sich im ersten und zweiten Teil unserer Reihe eine erhöhte Tendenz für einen normalen bis zu kalten Winter, so wird sich im dritten Teil - mit einer durchaus höheren Gewichtung - zeigen müssen, ob die These eines normalen bis zu kühlen Winters in der Theorie selbst Bestand haben kann.

Geprägt war das Jahr 2016 bisweilen durch einen positiv verlaufenden Temperaturmittelwert, welcher bis Ende September über alle Monate hinweg zu warm bis deutlich zu warm ausgefallen war, lediglich der Oktober schaffte die Kehrtwende und bliebe die Umkehrung des Temperaturtrends noch für längere Zeit bestehen, so könnte sich das Ausgleichsverhalten festigen und würde selbst wieder zu einer Erhaltungsneigung werden, was auch noch die Wochen und Monate darüber hinaus mit beeinflussen kann. Aktuell hat der November mit -0,6 Grad eine Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittelwert im leicht negativen (normalen) Bereich.

Ebenfalls Auffällig war im Jahr 2016 eine erhöhte Neigung zu Hochdrucksystemen über den nördlichen Bereichen - bevorzugt über Skandinavien und zeitweilig auch über England. Aber auch im Oktober zeigte sich über dem skandinavischen Raum der hohe Luftdruck dominierend, während es Anfang November eher die Trogwetterlagen waren, welche ein "normales" von West nach Ost verlaufendes Zirkulationsmuster bislang verhinderten. Südwest- bis Westwetterlagen waren in 2016 eher seltener anzutreffen. Es verändert sich also etwas im Vergleich zu den letzten Wintern.


Nun sind aber Modelle eben nur Modelle und berechnen die Zukunft Aufgrund von aktuellen Daten "einfach" weiter. Mit zunehmender Dauer werden die Ergebnisse ungenauer, wenngleich in den letzten Jahren sich hier einiges getan hat - letztlich bleiben es aber nur Simulationen und die Betrachtung der Langfristmodelle ist für Winterfans aktuell wahrlich kein schöner Anblick. Ein kleine Kehrtwende zeigte in den letzten Tagen das CFSv2 Modell, welches aus einem bislang zu mild berechneten Dezember zwischenzeitlich einen normalen Temperaturverlauf simuliert. Das ändert aber nichts am Gesamtergebnis eines zu warmen Winters 2016/17 (Januar und Februar zu warm).

In unserem dritten Teil der Winterprognose 2016/2017 möchten wir näher auf die aktuelle Entwicklung der Randfaktoren und deren mögliche Auswirkungen auf das Winterwetter eingehen. Was ist mit El Niño, bzw. La Niña? El Niño war letzten Winter äußerst kräftig strukturiert und war einer der stärksten der letzten Jahre. Normalerweise folgt dem El Niño Phänomen eine La Niña nach. La Niña sorgt - Global gesehen - wieder für kühlere Temperaturverhältnisse. Allerdings fällt auf, dass in La Niña Jahren die Winter in Deutschland häufiger mild ausfielen und erst in darauffolgenden Jahren wieder kühlere Winter ermöglichte. Tritt in diesem Winter La Niña ein? Der aktuelle ENSO-Bericht:
La Niña is favored to develop (~70% chance) during the Northern Hemisphere fall 2016 and slightly favored to persist (~55% chance) during winter 2016-17.*
Frei übersetzt ist kaum mit einem stärkeren La Niña Effekt zu rechnen, was statistisch gesehen wiederum eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen milden Temperaturverlauf im Winter 2016/17 Aufgrund von La Niña abschwächt.

Ein weiterer Randfaktor ist die Ausdehnung des Eisfeldes der arktischen See. Die aktuelle Ausdehnung liegt unter dem Durchschnitt der letzten Jahre und war noch nie so schwach ausgeprägt wie in 2016. Was hat das für Folgen? Ein intaktes Eisfeld hat - vereinfacht ausgedrückt - einen stärkeren, bzw. stabileren Polarwirbel zur Folge. Daraus lässt sich aber nicht gleichbedeutend ein zu kalter Winter ableiten, denn ein intakter Polarwirbel bedeutet, dass der Jetstream entlang der Polarfront entsprechend stark ausgeprägt ist und über Mitteleuropa von West nach Ost verläuft und somit eine höhere Wahrscheinlichkeit für Westwetterlagen bedeutet (starke nordatlantische Oszillation). Nun sorgt die geringere Ausdehnung aber möglicherweise für das Gegenteil - der Polarwirbel neigt zur Instabilität und somit zu einer höheren Wellenbewegung entlang der Polarfront, was wiederum Trogwetterlagen oder zumindest meridionale Großwetterlagen (Nord-Süd, Süd-Nord) wahrscheinlicher macht (nicht gleichbedeutend mit kalten Wetter - es erhöht nur dessen Wahrscheinlichkeit). Anders ausgedrückt hat ein intaktes Eisfeld einen stärkeren Polarwirbel zur Folge mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auf normale bis leicht erhöhte Temperaturbedingungen über Mitteleuropa (intakter West-Ost Jetstream), während ein nicht intaktes Eisfeld Trogeinschübe und Kaltluftausbrüche gen Süden wahrscheinlicher macht. Im Detail kommt es darauf an, wo diese Kaltluftausbrüche stattfinden - in den letzten drei Wintern war das über dem östlichen Kanada der Fall und somit für die warme Temperaturentwicklung über Mitteleuropa verantwortlich.

Ein dritter Randfaktor ist die QBO Quasi-zweijährige Schwingung. Was ist der QBO? Vereinfacht ausgedrückt: ein positiver QBO verstärkt den Polarwirbel, ein negativer QBO schwächt den Polarwirbel. Je stärker der Polarwirbel ist, desto wahrscheinlicher ist ein normales Zirkulationsmuster (West-Ost) mit milden und niederschlagsreichen Folgen. Der QBO in seiner Umkehrphase von West-Ost auf Ost-West spricht für eine höhere Wahrscheinlichkeit eines "gestörten Zirkulationsmusters" (meridionale Ausrichtung), was wiederum die Wahrscheinlichkeiten für normales bis leicht zu kaltes Winterwetter über Mitteleuropa erhöht (im Detail kommt es auch hier wieder auf die mögliche Position der Hoch- und Tiefdruckgebiete an, auch warmes Vorderseitenwetter ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich). Eine Umkehr des QBO auf Ost-West wäre eigentlich im Winter 2015/16 fällig gewesen, zeigte sich aber nicht einmal Ansatzweise. Stattdessen gab es - aus zeitlicher Perspektive - ungewöhnlicherweise Anfang Oktober Anzeichen einer Ost-West Umkehr, deren tatsächlicher Verlauf derzeit noch nicht klar abzusehen ist und in den letzten 50 Jahren auch so noch nicht vorkam - der Trend geht aber in Richtung West-Ost. Anders ausgedrückt zeigt der Entwicklungstrend des QBO mit einer West-Ost Komponente einen sich stabilisierenden Polarwirbel, was einen zu kalten Winter weniger wahrscheinlich macht.

Unmittelbar mit dem QBO Verbunden geht der Faktor der Sonnenaktivität einher - bzw. andersherum wäre es korrekt ausgedrückt - die Sonnenaktivität beeinflusst den QBO. Die Sonnenflecken geben Aufschluss darüber, welche Aktivität die Sonne derzeitig hat. Die Aktivität der Sonne hat in 2016 eine weiterhin abnehmende Tendenz und nähert sich 2020 ihrem Minimum (Grafische Darstellung). Welchen Einfluss haben Sonnenflecken? Insbesondere die geringe Sonnenaktivität veranlasste im Juni 2015 Forscher der Northumbria University dazu, über eine bevorstehende "Mini-Eiszeit" zu diskutieren. Nach deren Berechnungen sollten die nächsten zwei Zyklen (Zyklus 25 mit Maximum 2022 und Zyklus 26 in der Dekade 2030-2040) besonders schwach ausfallen und unter Umständen werden die oberen Wellenbewegungen komplett kompensiert werden können. Wir wollen hier nicht zu tief in Details einsteigen (wer es dennoch gerne tun möchte: Irregular heartbeat of the Sun driven by double dynamo)), eine "schwächelnde" Sonne hat über der nördlichen Hemisphäre grundsätzlich eine höhere Wahrscheinlichkeit für kühlere Winter zur Folge. Wer gerne möchte, kann die zu warmen und zu kalten Winter (s. tabellarische Übersicht) mit den Sonnenzyklen vergleichen und dabei feststellen, dass sich die zu warmen Winter häufiger in den ansteigenden Phase des Zyklus bis zum Maximum befanden und anschließend wieder kühler wurden (Warmperioden 1998-2002, 2007-2008, 2014-2016; Kaltperioden 1996-1997, 2005-2006, 2009-2011). Man wird sehen müssen, ob sich der Effekt des Klimawandels und der schwachen Sonnenaktivität letztlich kompensiert, oder ob sich eines der beiden Phänomene durchsetzen kann.

Ein weiterer Randfaktor ist die Schneedecke, bzw. deren Ausbildung über Sibirien.  Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass wenn sich über Sibirien eine relativ früh und gut ausgebildete Schneedecke sich festigt, diese das Kontinentalhoch auch stärker beeinflussen kann. Bedingt durch den Abstrahleffekt verstärkt sich in Verbindung zwischen Hoch und Schnee die Kaltluftansammlung in diesen Bereichen, was wiederum den hohen Luftdruck beeinflusst. Somit verstärken sich die Effekte gegenseitig. Was für Auswirkungen hat das auf den Winter in Deutschland, Österreich und der Schweiz? Ein gut ausgebildetes Kontinentalhoch reicht nicht selten bis über den skandinavischen Raum, bzw. kann sich bis dorthin ausdehnen. In Folge daraus wären Ost-West Strömungskomponenten nicht unwahrscheinlich, vor allem in der "Hochwinterphase" ab Mitte Januar. Bildet sich hingegen das Kontinentalhoch nicht weit genug nach Westen aus, so blockiert es die Tiefdrucksysteme von Westen kommend und führt zu einer milden Südwest-, bis Südwetterlage (vgl. zu den letzten zu drei warmen Wintern). Betrachtet man die aktuelle Schneehöhe über Sibirien, so ist diese mit 15-60 cm relativ normal und in ihrer Ausdehnung bis weit über das östliche und nördliche Europa schon gut fortgeschritten. So liegen über Skandinavien aktuell verbreitet 5-20 und in höheren Lagen bis 80 cm Schnee und im Bereich rund um Moskau sind es 20-70 cm. Mit anderen Worten ist der Winter in diesen Regionen schon gut vorangekommen. Eine ähnliche Ausdehnung der Schneedecke hatte es in den Jahren 2011, 2009, 2007 ,2006, 2002 und 1998 gegeben. Betrachtet man die zu kalten und zu warmen Winter, so ergeben sich darauf keinerlei Hinweise für den möglichen Verlauf für diesen Winter. Der Winter 2007 war z.B. der wärmste Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Schneedeckenausdehnung ist an sich also kein alleiniger Faktor, sondern ein begünstigender, bzw. dämpfender Faktor für den Winterverlauf.

In Summe sprechen die Randfaktoren für einen normalen Temperaturverlauf im Winter und sind neben der Statistik und der Erhaltungsneigung / Ausgleichsverhalten der dritte unterstützende Hinweis auf einen möglicherweise normalen Winterverlauf 2016/17. Wer nun dazu verleitet ist, den Winter jetzt als normal bis zu kalt auszurufen, sei zur Vorsicht ermahnt! Warum? Wir leben in einer Zeit, in der es von Jahr zu Jahr - global gesehen - im Schnitt immer wärmer wird. Der Klimawandel ist somit einer der größten und gewichtigsten Faktoren für einen zu milden/zu warmen Verlauf des Winters. Man braucht sich nur einmal die folgende Grafik zu Gemüte führen und man versteht, warum In den letzten 20 Jahren die Schneefallgrenze im Winter um 100 bis 200 Meter "angehoben" wurde (noch besser der folgende Comic Stripe). War es früher also noch häufig bis 400 Meter tiefwinterlich, so verschob sich die Schneegrenze langsam aber sicher in Richtung der 600 Meter, was Winter bis in tiefere Lagen hinab zunehmend unwahrscheinlicher macht. Nichtsdestotrotz sind die Rahmenbedingungen in diesem Jahr für einen "anständigen Winter" so gut wie seit langem nicht mehr - wir werden sehen, was letztlich daraus wird (Teil 1: statistische Betrachtung | Teil 2: Erhaltungsneigung und Ausgleichsverhalten).

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