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Wie wird der Winter 2016/17: Erhaltungsneigung und Ausgleichsverhalten

| M. Hoffmann
Wetterlagen wechselten sich "früher" etwa alle 7 bis 14 Tage ab und im Sommer und Winter gab es auch häufiger Wetterlagen, welche über 21 Tage bestand haben konnten. Blickt man auf die jüngste Vergangenheit, so stellt man fest, dass die Großwetterlagen beständiger werden - dabei spielt es keine Rolle, ob tiefer oder hoher Luftdruck vorherrschend ist. Auch auffällig ist, dass früher Westwetterlagen dominierten, während es heute eher Südwestwetterlagen sind, aber auch Tiefdruck über Mitteleuropa (TM) kommt nun häufiger als früher vor. Gleichzeitig steigt die Wetteraktivität im Bereich zwischen dem östlichen Kanada, Neufundland und Grönland /Island an, was das Azorenhoch weiter über die Mittelmeerregion verlagert. In Folge dessen kommt es anstatt zu einer Westströmung zu einem südwestlich orientierten Zirkulationsmuster. Und kommt die Luft aus Südwesten, so ist diese in der Regel auch wärmer, als wenn sie aus westlichen Richtungen kommen würde.

Mit anderen Worten gibt es auch beim Wetterablauf gewisse Abläufe nach bestimmten Mustern, meist folgen diese den zunehmenden, bzw. abnehmenden Sonnenstand entlang der Jahreszeiten und den daraus folgenden thermodynamischen Gesetzen. Festigt sich jedoch ein Strömungsmuster über ein paar Tage bis Wochen hinweg, so könnte man von einem "eingeschwungenen System" sprechen, welches sich selbst erhält, bzw. sich gerne wiederholt (Erhaltungs-, bzw. Wiederholungsneigung). Dann dauert es eine gewisse Zeit lang, bis sich wieder ein anderes Strömungsmsuter daraus ergeben kann.

Beim Wetter unterscheidet man zwischen einer Erhaltungsneigung und einem Ausgleichsverhalten, wobei das Ausgleichsverhalten bei entsprechender Dauer selbst wiederum in eine Erhaltungsneigung übergeht. Was aber ist darunter genauer zu verstehen? Einige von Ihnen kennen sicherlich den Begriff der Langzeitkorrelation, bei der mit einer positiven Korrelation mit höherer Wahrscheinlichkeit eine erneut positive als eine negative Korrelationsphase und umgekehrt sich entwickeln kann. Stark vereinfach ausgedrückt folgt mit höherer Wahrscheinlichkeit bei einer warmen und wechselhaften Erhaltungsneigung eine weitere Phase von warmen und wechselhaften Wetter nach, als eine zu kühle und trockene Wetterphase. Dabei kann die Erhaltungsneigung durchaus unterbrochen werden, sie prägt sich jedoch durch eine rasche Wiederherstellung des zuvor bestehenden Zirkulationsmusters. Nun kann es aber nicht immer so weiter gehen - das Wetter, bzw. die Zirkulation strebt zu einem ausgeglichenen Verhältnis. Vereinfacht ausgedrückt folgt der Erhaltungsneigung irgendwann das Ausgleichverhalten nach.

Der Gegenpart der Erhaltungsneigung ist also das Ausgleichsverhalten. Die Übergänge sind dabei fließend und oftmals nicht eindeutig und ist nicht selten erst rückblickend zu erkennen. Bspw. wie in diesem Jahr, als einer lang anhaltenden Hochdruckphase mit zu warmen Temperaturen allmählich eine kühlere, aber immer noch Hochdruck dominierte Wetterphase im Oktober nachfolgte, bei der die Temperatur-, bzw. auch Strömungsumkehr nachhaltig gelang (Oktober war der erste zu kalte Monat im Jahr 2016). Aus der Erhaltungsneigung mit zu warmen und trockenen Wetter wurde ein Ausgleichsverhalten mit leicht zu kühlen Temperaturen und normalen Niederschlagsverhältnissen, welches nun im November im Begriff sein könnte, sich wiederum zu einer Erhaltungsneigung zu verfestigen (stark vereinfacht: zu warm wird zu kalt, zu trocken wird zu nass).

Was könnte das für den Winter 2016/17 bedeuten? In der Theorie folgt auf eine lange zu warme eine normale bis zu kühle Temperaturperiode. Das kann über ein paar Wochen, oder gar Monate hinweg so gehen. Besonders prägnant war das in den letzten Jahreszeiten zu beobachten als - sehr zum Leidwesen vieler Winterliebhaber - die Winter 2013/14, Winter 2014/15 und Winter 2015/16 deutlich zu warm ausfielen, aber auch die Sommer 2003 und Sommer 2015 zeigten sich in ihrer Erhaltungsneigung äußerst stabil.

Betrachtet man das Jahr 2016, so waren 9 von 10 Monaten bislang zu warm, erst im Oktober gelang die Umkehr und wie bereits weiter oben beschrieben, könnte auch der November 2016 insgesamt auch zu kalt, bzw. normal ausfallen. Es hat sich also etwas verändert und hält das Ausgleichsverhalten nun auch noch bis zum Dezember an, so steigt die Wahrscheinlichkeit einer veränderten Zirkulationsstruktur auch über die Wintermonate. Warum? Sie festigt sich und hat somit genügend Zeit um fakten zu schaffen. Je früher und mehr Schnee also über Skandinavien, dem westlichen Russland und Sibirien liegt, desto höher die Wahrscheinlichkeiten für ein Hochdrucksystem über diesen Bereichen, was wiederum den Kälteeffekt über diesen Regionen verstärkt und nachhaltiger macht. Eine Westwetterlage müsste in diesem Fall dann schon einiges an Energie aufwenden, um den "normalen" Zirkulationsstrom wiederherzustellen. Übrigens kam im Winter 2009/2010 es zu einer ausgeprägten kalten Erhaltungsneigung, bei der der Dezember, Januar und Februar allesamt zu kalt ausfielen und somit der Winter ein Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittelwert von -1,1 Grad aufwies. Der darauffolgende Winter war mit einer Abweichung von -0,4 Grad schon etwas wärmer, jedoch hielt der Winter Ende November schon Einzug und hatte auch noch über den Dezember, inkl. einer weißen Weihnacht in fast ganz Deutschland, Bestand.

Zusammenfassend muss sich hinsichtlich der Erhaltungsneigung und dem Ausgleichsverhalten im November noch zeigen, wohin die Reise gehen kann. Vieles spricht aber dafür, als ob nun eine kühlere Phase für eine Zeit lang Bestand haben kann. Zusammen mit der Statistik (s. Teil 1: Wie wird der Winter - eine statistische Betrachtung) ergibt sich daraus ein zweiter Hinweis eines möglicherweise normalen bis zu kalten Temperaturverlaufs des Winters 2016/17.

Was spricht der Theorie vom Trend eines normalen, bzw. zu kühlen Winter 2016/17 entgegen? Der Klimawandel! Man braucht sich nur einmal folgende Grafik vor Augen führen - über 50 Jahre kaum Veränderungen und dann in den letzten 20 Jahren ein deutlicher Sprung nach oben, welcher sich im Trend immer so weiter fortsetzt - es wird also stets wärmer. In den letzten 20 Jahren stieg das Temperaturmittel zwischen +0,7 bis +0,9 Grad an, was letztlich die Schneefallgrenze im Winter um 100 bis 200 Meter anheben kann. War es früher also noch häufig bis 400 Meter tiefwinterlich, so verschob sich die Schneegrenze langsam aber sicher in Richtung der 600 Meter, was Winter bis in tiefere Lagen hinab zunehmend unwahrscheinlicher macht.

Die Langfristmodelle sind sich weitgehend einig: der Winter 2016/17 wird nach deren Berechnungen wohl zu warm ausfallen. Allen voran das CFSv2 Modell, welches den November mit einer Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittelwert von -0,5/+0,5 Grad noch mit normalen Temperaturen berechnet. Der Dezember hat aber schon eine Abweichung von +0,5/+2 Grad im leicht zu milden bis zu warmen, der Januar und der Februar 2017 mit +1/+2 Grad im zu warmen Bereich. Nur unwesentlich anders sind die Berechnungen des IRI Modells, des Modells des DWD und der des METOffice - im Schnitt gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen erneut zu milden Verlauf des Winters 2016/17. Einzig und allein das Langfristmodell der NASA berechnete in den letzten Wochen einen normalen bis leicht zu kalten Temperaturverlauf für den Winter 2016/17, zwischenzeitlich schwenkt das Modell nun aber auch in Richtung zu warm (Abweichung von +1/+3 Grad). Betrachtet man das Niederschlagsverhalten in den Wetterprognosen der Langfristmodelle , so zeigt sich in allen eine normale bis leicht positive Niederschlagsentwicklung über die Wintermonate von Dezember bis Februar. Dabei zeigt sich von England, Skandinavien über Deutschland bis über das östliche Europa eine erhöhte Niederschlagsaktivität. Möchte man das interpretieren, so ergibt sich daraus eine höhere Wahrscheinlichkeit dominanter Südwest- bis Westwetterlagen, welche sicherlich auch mal durch kältere Phasen unterbrochen werden können. Was für Auswirkungen hat ein +1/+3 Grad zu warmer Winter? Etwa um 0,6 Grad steigt, bzw. sinkt die Temperatur je 100 Meter. Liegt die angenommene durchschnittliche Schneefallgrenze im Winter bei rund 600 Meter, so läge diese bei einem Temperaturüberschuss von +1/+3 Grad zischen 750 bis 1.100 Meter.

Im dritten Teil, welcher kommenden Sonntag erscheinen wird, gehen wir auf die sog. Setups der Randfaktoren - welche für den Verlauf des Winters eine wichtige Rolle spielen - näher ein (zum 1. Teil: Wie wird der Winter - eine statistische Betrachtung).

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