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Herbst- und Winterprognose: Analyse der Randfaktoren mit Blick auf die Langfristprognosen

| M. Hoffmann

Das Wetter kippt. Während das Wetter über Deutschland im Moment vor sich hindümpelt, passiert auf dem Atlantik ein Vorgang, welcher innerhalb des Polarwirbels zu massiven Verwerfungen und Umstrukturierungen führen wird. Kurzum: Der Polarwirbel schwächelt zunächst. Ob sich der Polarwirbel samt atlantische Frontalzone in Verlauf der letzten Oktoberdekade regenerieren wird und welche Konsequenzen sich daraus für das Herbstwetter über Deutschland ergeben, betrachten wir heute im Detail. Dazu eine Analyse der Randfaktoren und die Prognosen der Langfristmodelle für das Wetter im Herbst und Winter.

Turbulentes oder weiterhin ruhiges Herbstwetter - und wie steht es um den Winter?
Turbulentes oder weiterhin ruhiges Herbstwetter - und wie steht es um den Winter?

Klassisches Oktoberwetter hat sich über Deutschland eingestellt und wird das Wetter noch bis zum 20. Oktober dominieren können. Doch klappt es mit dem goldenen Oktober nicht überall, dafür liegt das Hoch zu weit westlich, sodass mithilfe einer nördlichen Grundströmung feuchte Luftmassen nach Süden geführt werden, was wiederum die Wolken- und Nebelausbildung begünstigt. Grau-trübes und goldenes Oktoberwetter liegen eng beieinander.

Gestörte Zirkulation und die Umstrukturierung des Polarwirbels

Doch während über Deutschland ruhiges Herbstwetter vorherrscht, dehnt sich das dominierende Hoch bis zum Ende der Woche von England in Richtung Grönland und Kanada aus und untermauert seinen Status als Blockadehoch. Mehr noch - von der atlantischen Frontalzone ist so gut wie nichts mehr übrig und zum 20. Oktober deutet sich auch schon der nächste Polarwirbelsplit zwischen Kanada und der Karasee an. Mit anderen Worten formuliert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das ruhige Herbstwetter endet.

Über Deutschland noch ruhiges Herbstwetter, doch sind die Umstrukturierungen innerhalb des Polarwirbels mit Cluster über Skandinavien in vollem Gang

Wettervorhersage der Prognose-Modelle: Über Deutschland noch ruhiges Herbstwetter, doch sind die Umstrukturierungen innerhalb des Polarwirbels mit Cluster über Skandinavien in vollem Gang © www.meteociel.fr || wxcharts.com

These 1: Triggerimpuls setzt den Polarwirbel in Gang

Eindrucksvoll bestätigen die obenstehenden Wetterkarten die absolut gestörte Zirkulation, doch sorgt ein Impuls zwischen Grönland und Island dafür, dass sich der Polarwirbel im Verlauf der letzten Oktoberdekade wieder stabilisieren kann.

Der Impuls kommt durch die Konstellation aus dem Hoch über Kanada und Grönland und dem Cluster des Polarwirbels über Skandinavien zustande. Hochdrucksysteme drehen sich im und Tiefdruckgebiete gegen den Uhrzeigersinn, was vom europäischen Nordmeer aus kalte Luftmassen arktischen Ursprungs zunächst in Richtung Island und zum 22. Oktober bis nach England austrogen lässt.

Frontalzone springt an

Bedingt durch die Temperaturgegensätze entstehen zum Beginn der letzten Oktoberdekade auf dem Atlantik kräftige Tiefdrucksysteme, welche mit ihrer Vorderseite zunächst warme Luftmassen nach Norden führen können. Es würde also nicht verwundern, wenn die Temperaturen im Verlauf der letzten Oktoberdekade nochmals über die +20-Grad-Marke ansteigen könnten.

Die Umwälzungen haben zunächst noch keine großartigen Auswirkungen auf das Wetter über Deutschland, Österreich und die Schweiz zur Folge. Durch das Ausbleiben der Frontalzone und der damit zusammenhängenden Dynamik ist bis zum 19. Oktober nicht mit grundlegenden Veränderungen zu rechnen. Bei einem Wechselspiel aus Sonne, Wolken und Nebel pendeln sich die Temperaturen auf +10 bis +15 Grad ein und können bei Dauernebel auch unter der +10-Grad-Marke verharren. Klart es in den Nächten auf, kann es über der Südhälfte zu leichtem Frost kommen.

Frontalzone wird in Gang gesetzt

In der Theorie kann mit der Verlagerung des Hochs nach Westen und eines Clusters des Polarwirbels über Skandinavien eine meridional verlaufende Grundströmung die Tiefdruckgebiete über Deutschland weit nach Süden austrogen lassen und mit Wind, Regen und markant zurückgehenden Temperaturen dem Vollherbst zum Durchbruch verhelfen.

Nach und nach stabilisiert sich der Polarwirbel durch die zunehmende Dynamik entlang der Polarfront. Das Hoch zieht sich zurück und etabliert sich mit einem Hochdruckkern über den Azoren, während sich von Neufundland bis nach Skandinavien reichend eine Tiefdruckrinne ausbilden kann. Die atlantische Frontalzone regeneriert sich allmählich und wird über Deutschland, Österreich und die Schweiz zunehmend windiges und abwechslungsreiches Wetter zur Folge haben.

Der Polarwirbel wird in Gang gesetzt und regeneriert die atlantische Frontalzone auf dem Atlantik, was über Deutschland abwechslungsreiches Herbstwetter zur Folge hat

Wetterprognose nach dem europäischen Vorhersage-Modell: Der Polarwirbel wird in Gang gesetzt und regeneriert die atlantische Frontalzone auf dem Atlantik, was über Deutschland abwechslungsreiches Herbstwetter zur Folge hat © www.meteociel.fr

These 2: Polarwirbel bleibt gestört und damit auch die Zirkulation

Was aber passiert, wenn der Polarwirbelsplit zum 20. Oktober nicht nur erfolgreich verläuft, sondern sich das Hoch innerhalb des Polarwirbels noch weiter verstärken kann? In diesem Fall ergeben sich zwei Cluster des Polarwirbels: einer über den Aleuten, der zweite im Bereich zwischen Skandinavien, der Barents- und der Karasee. Das Blockadehoch hat in dieser Konstellation keinen Grund, sich zu verlagern und wird die atlantische Frontalzone bis Ende Oktober vollständig zum Erliegen bringen. Das Zirkulationsmuster ist nicht nur absolut gestört, sondern wird auch noch einen meridionalen Verlauf der Grundströmung zur Folge haben.

Polarluft erreicht Deutschland

Der Kaltluftausbruch erfolgt zwar ebenfalls zwischen Grönland und Island, doch verläuft dessen Achse nicht von Nordost nach Südwest, sondern von Nordwest nach Südost. So gelangen Deutschland, Österreich und die Schweiz bis zum 25. Oktober in den Einflussbereich der polaren Luftmassen, welche sich in der Höhe in Richtung der Alpen schieben.

Insbesondere über Norddeutschland hat das windiges und unbeständiges Wetter zur Folge. Erreichen die Temperaturen am 20. Oktober noch +14 bis +18 Grad und örtlich bis +22 Grad, so gehen die Temperaturen bis zum 27. Oktober mit +5 bis +10 Grad in den nasskalten Bereich zurück. Die Schneefallgrenze sinkt teils unter die 1.000-Meter-Marke, und klart es in den Nächten auf, ist Frost zu erwarten.

Der Polarwirbel bleibt bis Ende Oktober geschwächt und kann mit einer nördlichen Strömung in der Höhe kalte Luftmassen arktischen Ursprungs bis an die Alpen führen

Die Wetterprognose nach dem amerikanischen Prognose-Modell: Der Polarwirbel bleibt bis Ende Oktober geschwächt und kann mit einer nördlichen Strömung in der Höhe kalte Luftmassen arktischen Ursprungs bis an die Alpen führen © www.meteociel.fr

Die Analyse der Randfaktoren

Ob sich der Polarwirbel stabilisieren kann oder nicht, zeigt sich im sogenannten AO-Index. Dieser ist aktuell leicht negativ und entwickelt sich Ende Oktober neutral bis leicht positiv. Das sind keine klaren Signale für eine Erholung oder eine weiter anhaltende Störung des Polarwirbels.

Der zweite Randfaktor ist der NAO-Index (Verhältnis von Islandtief und Azorenhoch) und ist ein Wert, der Rückschlüsse auf den Zustand der Zirkulation zulässt. Im Moment ist der NAO-Index noch neutral, wird jedoch zum 15. Oktober deutlich negativ (Verlagerung des Hochs in Richtung Grönland und Kanada) und bleibt bis Ende Oktober deutlich negativ. Die vollständig bis absolut gestörte Zirkulation. Mit einer raschen Regenerierung der atlantischen Frontalzone ist erst einmal nicht zu rechnen.

Die Clusteranalyse

In der Clusteranalyse ergeben sich 15 unterschiedliche Varianten. In 47 Prozent der Berechnungen kommt es zu einem Blockadehoch auf dem Atlantik mit Clusterbildung über Skandinavien. Rund 40 Prozent berechnen einen positiven NAO-Index mit einer Regenerierung der atlantischen Frontalzone, was jetzt absolut nicht zum aktuellen NAO-Index passt - insofern sind diese 40 Prozent mit einem gesunden Maß an Skepsis zu bewerten. Sieben Prozent entfallen auf ein Blockadehoch über Grönland mit einer weit nach Süden ausschweifenden Frontalzone, was über Deutschland stürmisches Herbstwetter zur Folge haben kann. Ganze 6 Prozent entfallen auf ein Blockadehoch über Skandinavien, was goldenes Oktoberwetter über Deutschland zur Folge haben kann.

Der nachfolgende Mittelwert aller Kontrollläufe spiegelt die Unsicherheiten gut wider.

Hohe Unsicherheiten in der Wetterentwicklung bis November

Der Wettertrend nach dem Mittelwert aller Kontrollläufe: Hohe Unsicherheiten in der Wetterentwicklung bis November © www.meteociel.fr

Die Herbst- und Winterprognose nach den Langfristmodellen

Kommen wir zum Herbst- und Wintertrend der Langfristmodelle. Wie immer an dieser Stelle der Hinweis, dass Langfristprognosen einen Trend der Temperaturen und Niederschläge abbilden und keineswegs als Detailprognosen zu verstehen sind.

Der Herbst und Winter nach dem Deutschen Wetterdienst

Der Herbst (September, Oktober und November) soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent zu warm, 18 Prozent normal und 14 Prozent zu kalt ausfallen können. Die Niederschlagsbilanz fällt mit einer Wahrscheinlichkeit von 42 Prozent zu nass, zu 38 Prozent normal und zu 20 Prozent zu trocken aus.

Für den Winter (Dezember 2025 bis Februar 2026) wird eine Wahrscheinlichkeit von 43 Prozent für normales, 41 Prozent für zu warmes und 16 Prozent für zu kaltes Wetter simuliert. Sollte der Winter normal ausfallen können, wäre das eine kleine Sensation. Die Niederschlagswahrscheinlichkeit ist relativ ausgeglichen - keine Tendenzabschätzung.

Herbst- und Winterprognose nach dem europäischen Wettermodell

Der Oktober und der Januar werden nur mit einem leichten Temperaturüberschuss berechnet, was eine hochwinterliche Wetterphase im Januar 2026 - zumindest nach dieser Vorhersage - nicht ausschließen lässt. Der Rest wird mit einer Anomalie von +1 bis +2 Grad dann deutlich zu warm simuliert. Die Niederschlagsprognose ist im Januar negativ (kaltes Hochdruckwetter), sonst neutral und im Trend leicht zu nass.

Herbst- und Wintertrend der NASA

Der Oktober soll nach der Prognose der NASA normal und der November etwas zu kalt ausfallen können. Für die Wintermonate Dezember und Januar wird mit einer Abweichung von +0,5 bis +1,5 Grad eine nur leicht erhöhte Temperaturanomalie simuliert, während der Februar 2026 mit einer Differenz von +2,0 bis +3,0 Grad deutlich zu warm berechnet wird. Sowohl der Herbst als auch der Winter werden leicht zu nass simuliert.

Der Ausblick auf den Herbst und Winter nach dem CFSv2 Modell

Der November, Dezember und der Februar werden mit einer Anomalie von +2 bis +3 Grad deutlich zu warm berechnet. Der Februar wird im Trend sogar um bis zu +4 Grad zu warm berechnet. Auffällig ist auch hier der Januar, welcher mit einer Differenz von +1 bis +2 Grad im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961 bis 1990 etwas frischer ausfallen kann. Schaun mer mal.

Regenradar
Regenradar Deutschland
© Deutscher Wetterdienst, Offenbach (DWD)