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Klimaerhitzung: Mehr Hitze und Trockenheit aufgrund eines schwachen Golfstromes und meridionalen Großwetterlagen?

| M. Hoffmann
Hitze und Trockenheit in Zukunft häufiger?

Regen wird zur Mangelware und der Schnee im Winter zur Seltenheit. Klar, das hängt mit der Klimaerhitzung zustande, doch was sind die Faktoren, die dahinterstecken und was bedeutet das für das Wetter über Deutschland in Zukunft?

Gravierend und einschneidend war die Mega-Omegawetterlage aus dem Jahre 2003, die zur damaligen Zeit als Jahrhundertereignis definiert wurde. Dann kam 2018 mit einer Rekorddürre, gefolgt von den sehr warmen Jahren 2019 und 2020. Aktuell baut sich seit dem Frühjahr eine neuerliche Dürresituation über Deutschland auf. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Jahrhundertereignisse mittlerweile in fünf-Jahres-Abschnitten erfolgen.

Extreme Temperaturen

Über Deutschland ist es in den letzten 30 Jahren um rund 1,1 Grad wärmer geworden, was ein winterliches Wetterereignis unterhalb etwa 500 Meter zunehmend weniger wahrscheinlich gemacht hat und im Sommer die Anzahl der Wüstentage mit Temperaturen von mehr als +35 Grad hat zunehmen lassen. Auffällig ist zudem, dass der Niederschlagstrend im vieljährigen Mittelwert seit etwa 2003 rückläufig ist. Da stimmt also etwas ganz und gar nicht und wir versuchen einmal die Zusammenhänge - die zu diesen Resultaten führen - näher zu untersuchen und zu erläutern.

Links die Niederschlagsentwicklung und rechts daneben die Temperaturentwicklung im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961 und 1990
Links die Niederschlagsentwicklung und rechts daneben die Temperaturentwicklung im Vergleich zum vieljährigen Mittelwert von 1961 und 1990 © www.mtwetter.de

Linearer Verlauf

Das Erste, was auf den obenstehenden Klimakarten auffällt, ist der lineare Anstieg der Temperaturen. Man kann also davon ausgehen, dass in der statistischen Fortschreibung der Temperaturentwicklung es in der Zukunft noch wärmer werden wird. Seit 2003 geht parallel dazu die Niederschlagsentwicklung zurück und auch dieser Trend weist eine lineare Entwicklung auf. Trockenheit und eine zunehmende Dürre werden in den kommenden Jahren häufiger zum Thema werden können.

Weniger Westwetterlagen, mehr meridionale Großwetterlagen

Doch was führt zum Temperaturanstieg und dem Rückgang der Niederschläge? Ein Erklärungsversuch: Über Mitteleuropa waren Westwetterlagen die dominanten Wetterlagen - schon immer. Gemäßigte und abwechslungsreiche Sommer waren die Regel und dass die +30 Grad-Marke einmal überschritten wurde, war eher eine Ausnahme. Zudem sorgte die Westwetterlage immer für ausreichend Niederschlag und Trockenheit oder eine Dürre spielten eine nur untergeordnete Rolle.

Doch seit etwa 2010 stellen wir in unseren Wetterprognosen häufiger das Ausbleiben der Westwetterlagen fest. Seit 2018 hat es an rund 28 Monaten in Folge keine nennenswerte Westwetterlage mehr gegeben und auch in der jüngeren Vergangenheit konnte man - nachhaltige - Westwetterlagen an einer Hand abzählen. Wenn man so will, gab es in den letzten 48 Monaten kaum mehr die für Deutschland so typischen Westwetterlagen. Stattdessen dominieren zunehmend meridional verlaufende Wetterlagen das Wetter über Deutschland. Meridional bedeutet, dass das Strömungsmuster nicht zonal von West nach Ost, sondern von Nord nach Süd, bzw. von Süd nach Nord verläuft.

Hochdruckdominanz

Mitverantwortlich für die meridionalen Wetterlagen sind Hochdrucksysteme, die sich weit nach Norden aufwölben und so die atlantische Frontalzone daran hindern, eine gut funktionierende Tiefdruckrinne aufzubauen. Stattdessen wird die Tiefdruckaktivität blockiert und trogt nach Süden aus. Ob über Deutschland, der Schweiz und Österreich es dann zu einer meridionalen Nord-Süd, oder Süd-Nord-Strömung kommt, hängt maßgeblich davon ab, wo sich das Hoch positionieren kann. Häufiger lässt sich in den letzten Jahren eine Position über Mittel- oder Osteuropa feststellen, was die heißen und trockenen Süd-Nord-Strömungen bevorzugt und häufiger auftreten lässt. Doch es gab auch kühlere Nord-Süd-Strömungen, wie bspw. im April und Mai 2021. Diese sind jedoch klar in der Minderheit und schaut man sich die letzten 24 Monate an, so gab es zwei zu kalte (Abweichung <-0,5 Grad), zwei normale (-0,5 - +0,5 Grad) und 20 zu warme Monate (Abweichung > +0,5 Grad). Im Schnitt waren die letzten 24 Monate um +1,6 Grad gegenüber dem vieljährigen Mittelwert von 1961 und 1990 zu warm.

Die Abweichung der Temperaturen der letzten 24 Monate
Die Abweichung der Temperaturen der letzten 24 Monate

Meridionale Wetterlagen haben selten ergiebige oder ausreichende Niederschlagsmengen zur Folge, führen aber zu einer erhöhten Neigung von regionalen Starkniederschlägen. Auf andere Art formuliert folgen nach einer längeren trockenen Periode kräftige und unwetterartige Niederschläge nach, was nach einer längeren trockenen Phase eher suboptimal ist, da das Wasser nicht ausreichend Zeit hat, um tiefer in die Böden einzudringen, was die Dürresituation auf Dauer verschärft und wir seit 2018 verstärkt beobachten können.

Links die früher üblichen Westwetterlagen, rechts daneben die meridionalen Wetterlagen
Links die früher üblichen Westwetterlagen, rechts daneben die meridionalen Wetterlagen © www.meteociel.fr

Was führt zu meridionalen Wetterlagen?

Es sind gleich mehrere Faktoren, doch eine unserer Hauptthesen ist das zurückgehende arktische Meereis. Warum? Mit dem zurückgehenden Eisschild - insbesondere in den Sommermonaten - weicht die Temperaturzone zwischen kalt und warm weiter nach Norden zurück. Mit anderen Worten zieht sich das Starkwindband nach Norden zurück und von Süden rückt der hohe Luftdruck nach.

Das arktische Meereis hat auch noch einen ganz anderen Effekt. Eis reflektiert die Sonnenstrahlen und weder Land- noch Wassermassen können sich entsprechend erwärmen - die Energie wird gewissermaßen zurückgeworfen. Fehlt nun das Eis, so ist ein gegenteiliger Effekt zu erwarten. Die Energie wird durch das Meer aufgenommen, gespeichert und beschleunigt im schlimmsten Fall noch den Rückgang des arktischen Eisschildes. So verwundert es nicht, dass sich die arktische Meereisausdehnung im September seit 1979 fast halbiert hat! Im gleichen Zeitraum hat sich aber auch die Meereisdicke nahezu halbiert!

Dabei ist der Mechanismus - wie das arktische Meereis das Wetter und Klima über Europa beeinflussen kann - noch nicht vollständig verstanden. Eine aber durchaus plausible Erklärung liefert das Alfred-Wegener-Institut mit folgendem Zitat:

… als dass das arktische Meereis im Winter relativ warmes Wasser (circa 0 Grad Celsius) von sehr kalter Luft (bis zu −40 Grad Celsius) abschirmt. Mit einem Rückgang des Meereises wird die Atmosphäre deshalb von unten her stark vom Meer erwärmt. Durch eine großflächige Abnahme des Meereises wird sich deshalb der Temperaturunterschied zwischen den niederen und den hohen Breiten, der Hauptantrieb für die atmosphärischen Windsysteme reduzieren. Der Rückzug der Meereiskante nach Norden hat auch einen Einfluss auf die Hauptzugbahnen der Tiefdruckgebiete, die von der Meereiskante beeinflusst werden, und damit auf die Großwetterlagen in den benachbarten Regionen….

Zitat: Alfred-Wegener-Institut

Global umfassende Windsysteme

Die Ausdehnung der Eisfläche über der Arktis ist seit Jahren auf einem unterdurchschnittlichen Niveau
Die Ausdehnung der Eisfläche über der Arktis ist seit Jahren auf einem unterdurchschnittlichen Niveau © www.meteociel.fr

Damit verschiebt sich also die Zugbahn der Tiefdrucksysteme und durch den schwindenden Temperaturgegensatz schwingt sich das System in einem von Hochdrucksystemen dominierten Umfeld ein. Eine nach Norden verschobene Hochdruckzone hat zudem eine geringere Relevanz der Westwetterlagen zur Folge, bzw. verstärkt die meridional verlaufenden Grundströmungen. Diese Beobachtungen machen wir seit ca. 2015 und treten seit 2018 verstärkt auf.

Ein zunehmend verschobenes Starkwindband
Exemplarisch: Ein zunehmend verschobenes Starkwindband © www.meteociel.fr

Der Golfstrom

Kommen wir zum zweiten - wesentlichen - Faktor, dem Golfstrom. Stark vereinfacht: Der Golfstrom ist eine Meeresströmung, die warme Wassermassen aus Süden Norden führt. Über dem Norden angekommen, wird Süßwasser in Form von Schnee und Eis entnommen und die Salzkonzentration im Wasser erhöht. Salzwasser ist schwerer als Süßwasser und sinkt nach unten ab. Nachfolgend wird an der Oberfläche leichteres Wasser nachgezogen und so ergibt sich ein Strömungsmotor, der sehr effizient und träge ist.

Aktuell findet mit der Klimaerhitzung ein gegenteiliger Effekt statt. Eis schmilzt und da Eis eine nur sehr geringe Salzkonzentration hat, wandelt es sich in leichtes Süßwasser um. Leichtes Wasser sinkt nicht ab, sondern vermischt sich mit dem Wasser, das eigentlich den Golfstrom in Gang hält. Diese Vermischung von Süß- und Salzwasser hat also einen unmittelbaren Einfluss auf den Golfstrom und da dieser sehr träge ist, braucht es eine Zeit bis die Auswirkungen ersichtlich werden.

Golfstrom-System nähert sich womöglich kritischer Schwelle und Zusammenbruch

Die Überschrift klingt zunächst einmal reißerisch, doch folgt diese einer Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Vor der Studie war nicht klar, ob die Abschwächung des Golfstromes zu einer normalen Fluktuation gehört oder nicht. Die Studie aber hat ergeben, dass der aktuelle Zirkulationszustand des Golfstromes so schwach ist, dass ein unumkehrbarer Übergang zum schwachen Zustand möglich ist. Mit anderen Worten nähert sich der Golfstrom einem Zustand, bei dem das System zusammenbrechen kann.

Das Golfstromsystem ist aktuell so schwach, wie seit 1.000 Jahren nicht mehr und das ist eine klare Ansage! Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Golfstrom in etwa 30 Mal mehr Wasser bewegt, als alle Flüsse der Welt zusammen!!!

Die Folgen eines zusammenbrechenden Golfstromes

Ein sich abschwächender Golfstrom ist im direkten Zusammenhang mit einer zunehmenden Meridionalisierung von Großwetterlagen absolut plausibel. Ohne Golfstrom fehlen weitere Temperaturgegensätze und die Hochdruckzone wird schwerfälliger und zunehmend dominanter. Zudem heizt die Sonne den Atlantik - aufgrund der fehlenden Tiefdruckaktivität und Winden - weiter auf und das System pendelt sich in einen trägen Zustand ein. Mit anderen Worten werden die Großwetterlagen stabiler und dauern länger an. Wechselten sich früher die Großwetterlagen alle ein bis zwei Wochen ab, so kann eine Wetterlage mit einer entsprechenden Erhaltungsneigung nun mehrere Wochen oder Monate andauern und das ist möglicherweise erst der Anfang.

Die wirklichen Folgen kann man nicht abschätzen, denn dazu fehlt es an Erfahrung und Messdaten. Ein eingeschwungenes System mit einer Süd-Nord-Strömung ist nur eine Möglichkeit der Theorie.

Auch der Golfstrom zeigt, dass das Fortschreiten des Klimawandels ein gewagtes Experiment ist, das wir besser aufhalten sollten.

Prof. Monika Rhein, Ozeanografin

Es gibt aber noch eine andere These, bei der sich das Hoch zentralisierend auf den Atlantik zurückzieht und so eine kalte Nord-Süd-Strömung ermöglicht und die Klimaerhitzung im ersten Moment über Europa abschwächen, oder sogar umkehren kann. Das geht aber nur so lange, wie kalte Luftmassen aus Norden nach Süden geführt werden können. Fehlt die kalte Luft, so kehrt sich das System rasch ins Gegenteil um. In jedem Fall, ein schwacher oder nicht mehr existenter Golfstrom nimmt die Dynamik aus dem System, zugleich werden Niederschlagsereignisse seltener, da die Luft entweder aus südlichen oder nördlichen Richtungen kommt und dort nicht die optimalen Grundlagen für eine ausreichende Anreichung mit Feuchtigkeit gegeben sind.

Beobachtete Temperaturänderungen seit 1870 in °C. (©: PIK / Levke Caesar)
Beobachtete Temperaturänderungen seit 1870 in °C. (©: PIK / Levke Caesar)

Auf den Punkt gebracht: Meridionale Wetterlagen werden zunehmen

Man kann sich allmählich von den sonst so typischen Westwetterlagen verabschieden, doch wird es diese noch eine Weile geben können. Insbesondere über die Wintermonate können diese vorherrschend sein und mit stürmischen Windböen, milden Temperaturen und zeitweiligen Niederschlägen für Abwechslung sorgen.

Einschwingendes System

Wann und wie das im Detail vonstattengehen wird, bleibt abzuwarten, doch werden die Großwetterlagen in den kommenden Jahren wohl stabiler und länger andauernd ausfallen. Das geht in der These so weit, bis eine finale Erhaltungsneigung eintritt, die zu einer dauerhaften oder sehr langlebigen Großwetterlage führen kann. Bis das nächste Ereignis kommt und die Erhaltungsneigung wieder auflöst. Dazwischen können Jahre oder Jahrzehnte liegen.

Kein Niederschlag mehr?

Nein, ganz so dramatisch ist es zunächst nicht, es wird auch Wetterlagen geben, die mit einer Nord-Süd-Strömung zu einer Vb-Wetterlage oder einem Tief Mitteleuropa führen können, was langanhaltende Niederschläge zur Folge haben kann. Dazwischen aber, wird wohl der hohe Luftdruck eine dominierende Rolle spielen.

Was kann man tun, wenn der Regen ausbleibt? Machen Sie sich Gedanken mit ihrem persönlichen Wassermanagement, sparsam mit Wasser umgehen, Regen ernten und speichern und nicht durch die Dachrinne entsorgen. Sind Gartenpools mit Trinkwasser befüllt eine sinnvolle Anschaffung? Fragen Sie bei ihrer Gemeinde nach, wie das Wasservorsorgekonzept aussieht, was getan wird und was noch getan werden muss, um einer Wasserknappheit entgegentreten zu können. Was macht die Gemeinde bspw. bei Wassermangel, wie sieht der Notfallplan aus? Wie steht es um die Qualität des Grundwassers, bzw. der lokalen Brunnen? Schaffen Sie in Ihrem Umfeld ein Bewusstsein dafür, dass Wasser keine Gegebenheit ist, die einfach so aus dem Wasserhahn kommt.

Anmerkung: Es handelt sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Expertise, sondern um einen Erklärungsversuch, warum in den letzten Jahren die Westwetterlagen abgenommen und die meridionalen Verläufe mit einer zunehmenden Trockenheit zugenommen haben. Haben Sie Anregungen zu diesem Artikel? Gerne können Sie eine E-Mail an team@wetterprognose-wettervorhersage.de senden.

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